Rechtsnews
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Zum Thema Erbrecht
- Berufsständisches Zuwendungsverbot: Berufsordnung macht Vermächtnis zugunsten des behandelnden Arztes nicht automatisch ungültig
- Grundschuld potentieller Erben: Was mit der Eintragung nicht gezeugter Kinder im Grundbuch passiert
- Pflichtteilsstrafklausel: Wie "gegen den Willen" des Überlebenden zu verstehen ist
- Testamentsauslegung: "Unsere Kinder" kann in der Gesamtbetrachtung den Stiefsohn miteinbeziehen
- Unbeachtlicher Motivirrtum: Erbschaftsausschlagung sollte nie auf reinen Einschätzungen beruhen
Laut Berufsordnung ist es Ärzten verboten, von Patienten Geschenke oder Vorteile anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich in letzter Instanz mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei dieser ärztlichen Berufsregel um ein sogenanntes Verbotsgesetz handelt, das ein Vermächtnis eines Patienten zugunsten eines Arztes unwirksam macht.
Der Erblasser war mehrere Jahre Patient eines Hausarztes. Zwei Jahre vor seinem Tod schloss der Erblasser mit seinem Hausarzt sowie mit der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar einen Vertrag, in dem sich der Arzt verpflichtete, sich über das normale Maß hinaus um den Erblasser zu kümmern. Dafür sollte er auch insbesondere am Wochenende erreichbar sein, Hausbesuche machen und dem Erblasser bei Behördenangelegenheiten helfen. Als Gegenleistung bestimmte der Erblasser, dass der Hausarzt nach seinem Tod ein Grundstück erben solle. In einem nachfolgenden Testament setzte der Erblasser dann seine Pflegerin als Alleinerbin ein - unter Ausschluss des Grundstücks, das der Hausarzt erhalten sollte. Nach dem Tod des Erblassers geriet der Arzt in die Insolvenz und der Insolvenzverwalter verlangte die Herausgabe des Grundstücks, das die Alleinerbin mit der Begründung verweigerte, das Vermächtnis sei unwirksam, weil der Arzt gegen das Berufsrecht verstoßen habe. Das Landgericht und das Oberlandesgericht (OLG) gaben der Erbin zunächst recht und entschieden, dass das Vermächtnis unwirksam sei.
Der BGH hob diese Entscheidung auf. Nach Ansicht des Gerichts sei das Vermächtnis nicht automatisch unwirksam, nur weil es gegen die ärztliche Berufsordnung verstoße. Insoweit sei die Berufsordnung kein Verbotsgesetz im Sinne des Gesetzes. Die Regelung richte sich nur an Ärzte, nicht hingegen an die Patienten. Diese dürfen grundsätzlich selbst entscheiden, wem sie was vererben möchten. Die gesetzliche Regelung der Berufsordnung schütze daher nur das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Ärzten - nicht aber das Erbrecht der Angehörigen. Der BGH hat den Fall zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen, damit es prüfen kann, ob eventuell andere Gründe für die Unwirksamkeit des Vermächtnisses sprechen könnten.
Hinweis: Verstöße gegen standesrechtliche Maßnahmen können durch die jeweiligen Kammern geahndet werden - beispielsweise mit Rügen oder Geldbußen.
Quelle: BGH, Urt. v. 02.07.2025 - IV ZR 93/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 09/2025)
Ob auch noch nicht gezeugte Kinder Rechte an Grundstücken erhalten können, ist unter Juristen bereits lange umstritten. Mit eben dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen, und seine höchstgerichtliche Entscheidung wird sicherlich Auswirkungen auf die Gestaltung von erbrechtlichen Verfügungen haben.
Die Antragstellerin des Verfahrens war von ihrer Mutter, die im Jahr 2003 verstorben ist, als Vorerbin eines Grundstücks eingesetzt worden. Laut testamentarischer Verfügung sollten die Kinder der Antragstellerin Nacherben sein. Für den Fall, dass keine Kinder vorhanden sind, sollten die Geschwister Nacherben werden. Im Jahr 2006 ließ die Antragstellerin eine Grundschuld auf dem Grundstück über einen Betrag von 187.000 EUR zugunsten dieser Nacherben eintragen. Die Eintragung erfolgte als Sicherheit für einen vorhergehenden Verkauf eines anderen Grundstücks aus dem Nachlass. Die mittlerweile 60-jährige Antragstellerin beantragte dann schließlich, diese Grundschuld zu löschen, und versicherte an Eides statt, dass sie keine Kinder habe - weder leiblich noch adoptiert. Auch die Geschwister der Antragstellerin stimmten der Löschung zu. Das Grundbuchamt forderte von der Antragstellerin hingegen eine Löschungsbewilligung von einem Ergänzungspfleger, der die Interessen möglicher noch nicht bekannter Nacherben vertreten solle. Da diese Löschungsbewilligung nicht vorgelegt wurde, lehnten sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht die Löschung ab.
Der BGH entschied, dass es zunächst rechtlich zulässig sei, dass ein sogenanntes Grundpfandrecht wie eine Grundschuld auch für noch nicht geborene oder sogar noch nicht gezeugte Personen im Grundbuch eingetragen werden kann. Auch noch ungeborene Personen können ein rechtlich geschütztes Anrecht für die Zukunft erwerben. Aus diesem Grund war die Eintragung im Grundbuch zunächst zulässig, und es lag kein Fall einer automatischen Löschung einer unrichtigen Eintragung vor. Darüber hinaus darf das Grundbuch laut BGH nur berichtigt werden, wenn alle Berechtigten zustimmen. Die Antragstellerin trägt die Beweislast dafür, dass sie entweder keine Kinder mehr bekommen kann oder eine Adoption nicht mehr möglich ist. Da die Antragstellerin einen solchen Beweis aber nicht erbringen konnte, hätte es der Bestellung eines gerichtlichen Ergänzungspflegers bedurft.
Hinweis: Der BGH stellte im Übrigen auch klar, dass mit der Eintragung der Begrifflichkeit "Kinder" im Grundbuch auch adoptierte Kinder gemeint sein können. Hierauf ist bei der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung zu achten.
Quelle: BGH, Beschl. v. 26.06.2025 - V ZB 48/24
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(aus: Ausgabe 09/2025)
Pflichtteilsstrafklauseln sind ein geeignetes Mittel, um den überlebenden Ehegatten nach dem Tod des ersten Partners nicht mit Pflichtteilsforderungen zu belasten. Im Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) ging es nach der Inanspruchnahme des Pflichtteils darum, wie eine in Pflichtteilsstrafklauseln gängige Formulierung auszulegen ist.
Die Eheleute hatten im Jahr 2012 ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Ihre beiden Kinder sollten Schlusserben nach dem überlebenden Ehegatten werden. Zudem enthielt das Testament eine Pflichtteilsstrafklausel: Wer nach dem Tod des zuerst Verstorbenen "gegen den Willen" des Überlebenden seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsansprüche verlange und erhalte, werde inklusive der eigenen Nachkommen von der künftigen Erbfolge ausgeschlossen. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2017 verlangte die Tochter Auskunft über den Nachlass und anschließend die Auszahlung ihres Pflichtteils. Die Mutter erkannte den Anspruch an und zahlte ihr den Pflichtteil aus. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, und begründete dies damit, dass die Schwester durch ihre Pflichtteilsforderung die Strafklausel ausgelöst habe. Diesem Antrag gab das Nachlassgericht statt und begründete dies damit, dass eine Pflichtteilsstrafklausel auch dann eingreift, wenn die Erbin den Anspruch anerkannt habe. Die von der Tochter hiergegen eingelegte Beschwerde war erfolglos.
Das OLG legte dar, dass die Klausel verhindern solle, dass der überlebende Ehegatte mit Pflichtteilsforderungen belastet werde. Die Kinder sollten dadurch motiviert werden, keinen Pflichtteil zu verlangen, um das Vermögen ungekürzt beim Überlebenden zu belassen. Die durchaus gebräuchliche Formulierung "gegen den Willen" bedeute dabei aber nicht, dass der überlebende Ehegatte sich gegen die Pflichtteilsforderung zur Wehr setzen muss. Ausreichend sei es bereits, wenn das Kind ohne vorheriges Einvernehmen oder in anderer konfrontativer Weise den Anspruch geltend mache. Hierfür reiche es bereits aus, dass die Tochter anwaltlich vertreten eine Auskunft "zur vorläufigen Durchsetzung des Pflichtteilsrechts" verlange und anschließend die Auszahlung geltend mache. Da es keine vorherige Absprache mit der Mutter gegeben hatte, war dieses Vorgehen einseitig und konfrontativ - und damit "gegen den Willen" im Sinne der Strafklausel.
Hinweis: Wer nach dem ersten Erbteil seinen Pflichtteil ohne vorherige Absprache einfordert, riskiert den vollständigen Ausschluss von der Erbfolge im zweiten Todesfall.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.07.2025 - 8 W 56/24
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(aus: Ausgabe 09/2025)
Wie so oft in Erbschaftsangelegenheiten war auch in disem Fall die Frage, was mit einer Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament zweier Eheleute konkret gemeint sein könnte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) betrachtete die Gesamtlage und traf hinsichtlich einer allgemeinhin im Sprachgebrauch und in Testamenten nicht ungewöhnlichen Formulierung eine folgerichtige Entscheidung.
Der Erblasser und seine bereits vorverstorbene Ehefrau hatten zwei gemeinsame Kinder. Darüber hinaus lebte der Sohn der Ehefrau aus einer früheren Beziehung bis ins Erwachsenenalter im gemeinsamen Haushalt der Eheleute. Diese hatten zu Lebzeiten ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Nach dem Tod des Überlebenden sollte der Nachlass zu gleichen Teilen "an unsere Kinder" gehen. Das Testament enthielt darüber hinaus eine Pflichtteilsstrafklausel sowie eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel, die besagte, dass bei einer erneuten Heirat des Überlebenden 3/4 des damaligen Nachlasswerts "den Kindern" als Vermächtnis ausgezahlt werden sollten. Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2020 errichtete der Erblasser im Jahr 2022 ein weiteres Einzeltestament, in dem er die beiden ehelichen Söhne als Erben einsetzte. Ein zunächst den ehelichen Kindern erteilter gemeinschaftlicher Erbschein wurde durch das Nachlassgericht wieder eingezogen mit der Begründung, dass auch der Stiefsohn erbberechtigt sei. Hiergegen wandten sich die gemeinsamen Söhne der Eheleute - allerdings ohne Erfolg.
Das OLG kam bei der Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass mit dem Begriff "unsere Kinder" auch Stiefkinder gemeint sein können. Die Eheleute haben nach Ansicht des Gerichts ihre Erbfolge umfassend regeln wollen, wofür nicht nur die gegenseitige Erbeinsetzung, sondern auch die Pflichtteilsstrafklauseln und die Regelung zur Wiederverheiratung sprechen. Insbesondere die letztgenannte Regelung ergebe mit einer Aufteilung des Nachlasses zu 3/4 nur Sinn, wenn alle drei Kinder mit der Regelung gemeint gewesen seien. Da das gemeinschaftlich errichtete Testament wechselbezügliche Verfügungen enthielt, konnte dieses auch nach dem Tod der Ehefrau nicht mehr einseitig abgeändert werden.
Hinweis: Bei der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung ist auf eine präzise Formulierung zu achten. Die übliche Formulierung "unsere Kinder" kann missverständlich sein, sobald nicht nur gemeinschaftliche Kinder vorhanden sind.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.07.2025 - 1-3 Wx 116/25
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(aus: Ausgabe 09/2025)
Immer wieder müssen sich Gerichte mit den Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung einer Erbschaftsausschlagung beschäftigen. Grundlage ist die Annahme, dass derjenige, der die Erbschaft ausschlug, sich derart über Zusammensetzung und Wert irrte, dass ihm dabei ein beachtlicher Irrtum unterstellt werden darf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) stellte klar, wie hoch die Hürden hierfür sind.
Der geschiedene und kinderlose Erblasser verstarb ohne Testament. Die gesetzlichen Erben - die Schwester des Erblassers sowie deren Abkömmlinge - schlugen die Erbschaft form- und fristgerecht aus. Da keine weiteren Erben gefunden wurden, fiel die Erbschaft an den Fiskus. Mehrere Jahre später stellte sich jedoch heraus, dass durchaus noch ein weiterer Erbe vorhanden war. Dieser beantragte einen Erbschein und gab hierbei einen Nachlasswert von ca. 51.000 EUR an. Als einer der Ausschlagenden hiervon Kenntnis erlangte, erklärte er die Anfechtung seiner Ausschlagung wegen Irrtums. Er sei zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass der Nachlass überschuldet gewesen sei. Grundlage seiner Annahme war, dass eine Immobilie aufgrund eines vorhandenen lebenslangen Wohnrechts im Wert deutlich gemindert war und es im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers Mahnungen Dritter sowie Nachweise über ein überzogenes Konto gegeben habe. Er erklärte, dass er die Ausschlagung vorgenommen habe, um einen finanziellen Schaden zu vermeiden.
Das Amtsgericht entschied zunächst, dass es sich um einen beachtlichen Eigenschaftsirrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses gehandelt habe, und bewertete die Anfechtung als wirksam. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des nachträglich ermittelten Erben, die vor dem OLG erfolgreich war. Das OLG präzisierte hierbei eine bereits bestehende Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass eine Überschuldung eine derartige Eigenschaft darstellen kann, wenn sie auf falschen Vorstellungen über konkrete Vermögenswerte oder Schulden beruht. Nicht die Überschuldung selbst ist hierbei aber die Eigenschaft, sondern nur die Zusammensetzung des Nachlasses, also der Bestand an Vermögen und Schulden. Nur wenn sich der Erklärende hierbei über konkrete wertbildende Faktoren geirrt hat, kann der Irrtum als beachtlich betrachtet werden - beispielsweise, wenn der Ausschlagende fälschlicherweise annimmt, ein bestimmtes Konto gehöre nicht zum Nachlass oder aber bestimmte Schulden seien nicht Gegenstand dieses Nachlasses. Zwar wusste der hier Ausschlagende von der Immobilie des Erblassers, konnte aber nicht benennen, über welche konkreten Schulden oder Vermögenswerte er sich geirrt habe. Seine damalige Einschätzung beruhte daher lediglich auf einer eigenen Bewertung und unsicheren Annahmen, und dies genüge dem Anspruch auf einen beachtlichen Motivirrtum nicht. Aus diesem Grund scheiterte die Anfechtung der Ausschlagungserklärung.
Hinweis: Ein rechtlich unbeachtlicher Motivirrtum liegt immer dann vor, wenn man aus persönlichen Gründen, wie etwa Befürchtungen oder Spekulationen, eine Erklärung abgibt.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.07.2025 - I-3 W 63/25
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 09/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Erwachsenenadoption: Wegfall der Geschäftsfähigkeit schadet nicht
- Kindeswohl schlägt Umgangsrecht: Mord an der Mutter rechtfertigt befristeten Umgangsausschluss des Vaters
- Namensrecht und Kindeswohl: Leiblicher Vater hat das Nachsehen - Kind darf wie der Rest seiner Familie heißen
- Unterbringung: Nur in absoluten Ausnahmefällen darf von der Anhörung des Betroffenen abgesehen werden
- Verlängerung der Fortgeltungsanordnung: Bisheriges Verfahren zur Vaterschaftsanfechtung gilt noch bis zum 31.03.2026
Ein Fall, wie er wohl schon öfter vorgekommen ist. Ein Erwachsener soll adoptiert werden; ein entsprechender Antrag wird gestellt. Doch noch bevor die Adoption angenommen wurde, wird ein "Elternteil" geschäftsunfähig. Ob die Adoption dennoch stattfinden kann, darüber entschied kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH).
Ein lang verheiratetes kinderloses Ehepaar wollte einen Erwachsenen adoptieren. Ein entsprechender Antrag wurde bei Gericht gestellt. Nach Eingang des Adoptionsantrags hörte der Familienrichter den annehmenden Ehemann in dessen Wohnung an. Es konnte aber kein zielführendes Gespräch über die Adoption geführt werden. Also wurde der Adoptionsantrag wegen Geschäftsunfähigkeit des "Vaters" zurückgewiesen. Die Beteiligten legten Rechtsmittel gegen die Zurückweisung ein, dann verstarb der Ehemann.
Die Beteiligten waren vor dem BGH erfolgreich. Es ist davon auszugehen, dass der Ehemann bei Stellung des Adoptionsantrags uneingeschränkt geschäftsfähig gewesen sei. Es wurden jedenfalls gerichtlich keine gegenteiligen Feststellungen getroffen, also ist von Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung auszugehen. Der spätere Verlust der Geschäftsfähigkeit stehe der Adoption somit nicht entgegen. Die Erwachsenenadoption konnte also durchgeführt werden.
Hinweis: Soll eine Erwachsenenadoption durchgeführt werden, sollte ein Nachweis der Geschäftsfähigkeit der "Eltern" bei Antragstellung geführt werden. So spart man sich im Fall späterer Geschäftsunfähigkeit Diskussionen über die Wirksamkeit der Adoption. Beachten Sie aber, dass der Fall nur für die Erwachsenenadoption gilt. Bei Minderjährigen ist der Wegfall der Geschäftsfähigkeit immer adoptionsschädlich. Minderjährige sind ja selbst noch nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig und benötigen daher immer einen geschäftsfähigen Erwachsenen an ihrer Seite.
Quelle: BGH, Beschl. v. 04.06.2025 - XII ZB 320/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2025)
Jeder Elternteil hat grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit seinen Kindern - selbst, wenn ein Elternteil straffällig geworden ist. Doch selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen, die sich am Kindeswohl orientieren. Eine Ausnahme ist beispielsweise die Tötung der Mutter durch den Vater. Einer dieser tragischen Fälle landete kürzlich vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG).
Ein verheiratetes Paar hatte drei Kinder. Die Frau trennte sich wegen häuslicher Gewalt von ihrem Mann. Leider erfolglos, denn bei einem Treffen zur Übergabe eines Kindes tötete er die Frau. Die drei Kinder zwischen vier und acht Jahren, die bei der Tötung ihrer Mutter nicht anwesend waren, wurden daraufhin in einer Pflegefamilie untergebracht, der Vater in Untersuchungshaft. Das Familiengericht Aachen hat den Umgang des Vaters mit den Kindern schließlich für ein Jahr ausgeschlossen. Der Vater legte hiergegen Beschwerde ein. Diese führte aber nicht zur Aufhebung des Kontaktverbots, sondern sogar zu einer Verschärfung.
Das OLG hat nach Anhörung der Kinder und ihrer Verfahrensbeiständin sowie nach Erörterung der Sache mit dem Vater das Kontaktverbot um weitere drei Jahre verlängert. Zwar kann sich der Vater auf ein Umgangsrecht mit den Kindern berufen (§ 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz). Hier jedoch sah das OLG einen mehrjährigen Umgangsausschluss als erforderlich an, um bei den Kindern die Traumaverarbeitung zu sichern. Die Kinder selbst äußerten den Wunsch, Abstand vom Vater zu halten. Das Kindeswohl muss hier über das Umgangsrecht gestellt werden.
Hinweis: Über alles Recht der Eltern wird das Kindeswohl gestellt. Haben Kinder häusliche Gewalt erlebt, soll ihnen der Umgang mit dem gewalttätigen Elternteil nur zugemutet werden, wenn ihnen dadurch das Sicherheitsgefühl, das durch die erlebte Gewalt verlorengegangen ist, zurückgegeben werden kann. Ist dies nicht gewährleistet, dann ist ein Umgangsausschluss gerechtfertigt.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 13.03.2025 - 10 UF 92/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2025)
Patchworkfamilien sind keine Seltenheit mehr. Nach außen sieht man nicht unbedingt, dass Kinder aus verschiedenen Ehen stammen - aber spätestens mit den Namen sind die Unterschiede erkennbar. Da ist es natürlich, wenn in Kindern der Wunsch nach einer Umbenennung wächst. Einen derartigen Wunsch machte das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) wahr, denn hier war das Kindeswohl ziemlich deutlich erkennbar.
Ein 2014 geborenes Mädchen trug nach der Heirat ihrer Eltern den Namen ihres Vaters. Seine Eltern ließen sich dann jedoch scheiden, die Mutter heiratete wieder und beantragte, dass das Mädchen den Namen des neuen Ehemanns tragen dürfe. Es bestünde seit Jahren kein Umgang zwischen Vater und Tochter, die beiden hätten eine sehr belastete Beziehung. Dennoch widersprach der Vater der Namensänderung. Das Gericht nahm sie trotzdem vor, woraufhin der Vater Beschwerde einlegte.
Er scheiterte damit vor dem OLG. Seit dem 01.05.2025 können die Gerichte Namensänderungen erleichtert durchführen, wenn sie dem Wohl des Kindes dienen. Und eben dieses überwog dem Interesse des Vaters am Beibehalten des Namens deutlich. Das fast elf Jahre alte Kind hatte ausdrücklich den Wunsch geäußert, so zu heißen wie der Stiefvater, zu dem es eine sehr gute Bindung pflegt. Eine emotionale Bindung zum leiblichen Vater gebe es hingegen nicht. Die Namensverschiedenheit hatte das Kind belastet. Also wurde die väterliche Einwilligung zur Namensänderung korrekterweise gerichtlich ersetzt.
Hinweis: Auch an dieser Entscheidung wird deutlich, dass über allem das Kindeswohl schwebt. Wenn diesem gedient ist, dann muss auch ein leiblicher Elternteil mit seinem Namenswunsch zurückstecken. Es ist nachvollziehbar, dass Kinder sich mit einer Familie identifizieren wollen - auch über den Namen.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.05.2025 - 5 WF 4/25
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(aus: Ausgabe 09/2025)
Manchmal geht es nicht anders, und ein Mensch muss in einer psychischen Ausnahmesituation untergebracht werden. Die Unterbringung wird vom Gericht angeordnet und soll grundsätzlich nicht ohne Anhörung des Betroffenen vorgenommen werden. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen darf von der Anhörung abgesehen werden. Ob der erforderliche, korrekte Ablauf im folgenden Fall vorlag, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Auf Antrag der Betreuerin genehmigte das Amtsgericht Regensburg (AG) die Unterbringung einer Frau in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung. Diese Maßnahme wurde durch das AG im Wege der Rechtshilfe verlängert, das eigentlich zuständige Gericht hatte die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Die Betroffene legte dagegen Beschwerde ein. Daraufhin wurde die Unterbringung vom Landgericht Regensburg (LG) zwar nicht aufgehoben, aber verkürzt. Doch auch gegen die Verkürzung legte die Frau Beschwerde ein - und zwar erfolgreich.
Laut BGH lag ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Denn vor einer Unterbringungsmaßnahme ist der Betroffene persönlich anzuhören. Das Gericht muss sich einen persönlichen Eindruck verschaffen. Dies gilt grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Das Beschwerdegericht kann von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen - dies setzt jedoch voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist. Das AG hatte die Betroffene zwar gehört, dies jedoch rechtsfehlerhaft; im Wege der Rechtshilfe darf nämlich keine Anhörung stattfinden. Das LG hätte die Betroffene daher selbst anhören müssen. Der BGH hat den Fall daher an das LG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Hinweis: Eine Unterbringung ohne persönliche Anhörung ist nur in engen Ausnahmefällen möglich, ebenso eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe. Betroffene sollten in ähnlichen Fällen immer eine Beschwerde einlegen, eine Unterbringung ist schließlich eine freiheitsentziehende Maßnahme. Da muss alles rechtlich korrekt ablaufen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 11.06.2025 - XII ZB 183/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2025)
Bereits 2024 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die aktuelle Bestimmung zur Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verfassungswidrig ist. Dem Gesetzgeber wurde vom Gericht daher aufgegeben, bis zum 30.06.2025 eine Neuregelung auf die Beine zu stellen.
Jedoch ist das bislang nicht passiert. Der Erste Senat des BVerfG hat daraufhin die Fortgeltungsanordnungen bis zum 31.03.2026 verlängert. Der Beschluss folgte auf eine Anregung des Bundeskanzlers. Somit soll der Gesetzgeber ausreichend Zeit haben, eine verfassungskonforme Regelung zu formulieren.
Da die verfassungswidrige Rechtslage noch gilt, empfahl das Gericht, bei den zuständigen Fachgerichten die Aussetzung bereits eingeleiteter Anfechtungsverfahren bis zu einer Neuregelung zu beantragen. Der aktuelle § 1600 BGB müsse bis zu einer Neuregelung weitergelten, da sonst bereits anhängige Verfahren nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt werden können. Den Vätern würde quasi der Rechtsweg abgeschnitten.
Hinweis: Der Gesetzgeber muss nun schnell handeln! Es muss eine verfassungskonforme Regelung geschaffen werden und dies schnell, denn betroffene Väter müssen immerhin noch acht Monate lang mit der rechtswidrigen Regelung leben. Sie sollten bei den zuständigen Fachgerichten die Aussetzung bereits eingeleiteter Anfechtungsverfahren bis zu einer Neuregelung beantragen.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 03.06.2025 - 1 BvR 2017/21
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(aus: Ausgabe 09/2025)