Rechtsnews
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Zum Thema Erbrecht
- Entlassungs- oder Fortführungsinteresse? Entlassung eines Testamentsvollstreckers sollte nur aus wichtigem Grund erfolgen
- Miet- und Wohnungseigentumsrecht: Keine Bindung des Eigentümers an Verpflichtungen des Nießbrauchsberechtigten
- Nachlasszeugnis verweigert: Keine familiengerichtliche Genehmigung für Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses nötig
- Nachweis der Amtsannahme: Formerfordernisse für Verfügungsberechtigung einer Testamentsvollstreckerin
- Testierfreiheit vor Eheschließungsfreiheit: Erblasser droht Sohn bei Heirat der Lebensgefährtin mit Enterbung
Das Nachlassgericht kann einen Testamentsvollstrecker entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, beispielsweise eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Ausübung des Amts. Genau deshalb schaute das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) noch einmal auf das Urteil vom Amtsgericht (AG) und kam zu einem anderen Ergebnis als die dortigen Kollegen, was die Vorwürfe gegen einen Testamentsvollstrecker anging.
Eheleute hatten ein notarielles Testament errichtet und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Die Kinder der Ehefrau aus erster Ehe wurden zu Schlusserben bestimmt. Der Erblasser bestimmte zwei Personen zu gemeinsam vertretungsberechtigten Testamentsvollstreckern. Dann entließ das AG jedoch einen der Testamentsvollstrecker mit der Begründung aus seinem Amt, er habe vor Antritt seines Amts Handlungen in Bezug auf den Nachlass vorgenommen, die mangels Genehmigung nicht wirksam geworden seien. Er habe Haushaltsgegenstände an sich genommen und Nachlassmittel für persönliche Zwecke verwendet. Der Testamentsvollstrecker argumentierte, es habe eine Absprache mit dem weiteren Testamentsvollstrecker hierzu gegeben.
Das OLG hob die Entscheidung des AG auf und stellte fest, dass kein ausreichender Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers anzunehmen war. Viele der von der Miterbin erhobenen Vorwürfe haben vor seinem offiziellen Amtsantritt stattgefunden. Das Entnehmen von Haushaltsgegenständen habe auch nicht zu einer Schädigung oder erheblichen Gefährdung der Interessen der Erben geführt. Auch eine in Anspruch genommene Rechtsberatung, für die Kosten von 226,10 EUR angefallen sind, sei geringfügig und rechtfertige keine Entlassung des Testamentsvollstreckers.
Hinweis: Auch bei Feststellung eines wichtigen Grunds ist die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht zwingend. Es muss stets eine Abwägung zwischen Entlassungs- und Fortführungsinteresse vorgenommen werden, wobei der Wille des Erblassers und das Vertrauen der Erben berücksichtigt werden müssen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 13.05.2024 - 3 W 113/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Ein Grundstückseigentümer ist berechtigt, nach Beendigung eines Nießbrauchsverhältnisses ein Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Ob dies auch in dem Fall gilt, in dem der Eigentümer das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten hat, war Gegenstand eines Rechtsstreits, der dem Bundesgerichtshof (BGH) vorlag.
Die Mutter der sich streitenden Geschwister hatte zu Lebzeiten ein Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übertragen und sich ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehalten, das ihr erlaubte, das Grundstück zu nutzen und zu vermieten. Nach ihrem Tod ging dieses Nießbrauchsrecht an den überlebenden Ehemann über, der die Immobilie an die Firma der gemeinsamen Tochter vermietete. Nach dem Tod des Vaters kündigte der Bruder als Alleineigentümer diesen Mietvertrag und forderte die Rückgabe des Grundstücks. Er war zunächst sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) erfolgreich.
Nun aber hat der BGH die Entscheidung des OLG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen. Dies jedoch aus rein formalen Gründen - denn er stellte klar, dass das Sonderkündigungsrecht für den Eigentümer nach Beendigung des Nießbrauchsverhältnisses weiterhin bestehe. Ein Grundstückseigentümer, der das Eigentum durch vorweggenommene Erbfolge erwirbt, hafte nicht automatisch für die Mietverträge des Nießbrauchsberechtigten, wie es beispielsweise im Fall einer Erbschaft wäre. Eine Bindung an den Mietvertrag könne nur bestehen, wenn der Übertragungsvertrag eine entsprechende Bestimmung enthält - und eben dies war vorliegend nicht der Fall.
Hinweis: Die in Übertragungsverträgen häufig verwendete Klausel, dass "Miet- und Pachtverhältnisse vom Erwerber beim Nießbrauchsende zu übernehmen" seien, reichen für eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Bindung an das Mietverhältnis nicht aus.
Quelle: BGH, Beschl. v. 12.06.2024 - XII ZR 92/22
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(aus: Ausgabe 12/2024)
Während Eltern für sich selbst eine Erbschaft jederzeit ausschlagen können (unter anderem bei Nachlassüberschuldung), bedarf eine Ausschlagung für die eigenen minderjährigen Kinder in bestimmten Fällen der Genehmigung durch das Familiengericht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn nicht beide Elternteile gleichzeitig sorgeberechtigt sind. Im Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, handelte es sich aber um einen werthaltigen Nachlass.
Die Eheleute hatten sich aufgrund eines Erbvertrags wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Nach dem Tod seiner Ehefrau schlugen der Mann und in der Folge die Kinder für sich selbst sowie der Sohn der Erblasserin für das eigene, noch ungeborene Kind die Erbschaft aus - mit dem Ziel, die gesetzliche Erbfolge zu nutzen und letztlich Erbschaftsteuer zu sparen. Das Nachlassgericht verweigerte jedoch die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses, da die Ausschlagungserklärung für das damals noch ungeborene Kind nicht durch das Familiengericht genehmigt worden sei. Das Gericht war daher der Ansicht, dass dies notwendig sei, um einen Interessenkonflikt zwischen dem Vater und den Kindern zu vermeiden. Dies wurde auch durch das Oberlandesgericht zunächst bestätigt.
Der BGH hob die Entscheidung jedoch auf und entschied, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich sei. Es handele sich nämlich um eine durchaus bewusste Festlegung des Gesetzgebers, dass Eltern für ihre Kinder eine Erbschaft ausschlagen können, wenn sie nicht als Miterben gelten. Der BGH betonte zudem, dass das Kind nicht benachteiligt werde, da es keine gesicherte Erbposition hatte und die Ausschlagung in seinem Interesse lag. Der BGH entschied, dass dem Vater ein europäisches Nachlasszeugnis auszustellen war, das ihn und seine Kinder gemeinsam als Erben ausweist.
Hinweis: Eine familiengerichtliche Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Erbschaft dem minderjährigen Kind erst infolge der Ausschlagung des sorgeberechtigten Elternteils anfällt und dieser Elternteil nicht neben dem Kind als Erbe berufen war.
Quelle: BGH, Beschl. v. 04.09.2024 - IV ZB 37/23
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(aus: Ausgabe 12/2024)
Im Zuge der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft beantragte ein beurkundender Notar die Änderung des Grundbuchs. Zuvor war die Enkelin der Erblasserin im Rahmen eines notariellen Testaments zur Testamentsvollstreckerin ernannt worden. Vor dem Oberlandesgericht München (OLG) ging es daher um die Frage, welcher Nachweis durch die Testamentsvollstreckerin erbracht werden müsse, um deren Verfügungsbefugnis über eine Immobilie als Nachlassgegenstand nachzuweisen.
Mit Schreiben vom 28.05.2024 beantragte der Notar beim Grundbuchamt den Vollzug der Eigentumsumschreibung. Beigefügt waren unter anderem eine beglaubigte Abschrift der Niederschrift des Nachlassgerichts über die Eröffnung der genannten Testamente sowie eine Abschrift der mit einem Eingangsstempel der Justizbehörden versehenen Erklärung der Testamentsvollstreckerin, dass sie das Amt annehme. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung von Eigentumsrechten im Grundbuch ab, weil es Zweifel an der ausreichenden Form des Nachweises der Amtsannahme der Testamentsvollstreckerin gab.
Das OLG entschied jedoch, dass entgegen der Annahme des Grundbuchamts die Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin durch Vorlage der Verfügung von Todes wegen (hier das Testament) und Niederschrift über deren Eröffnung durchaus nachgewiesen werden könne. Die Annahme eines Testamentsvollstreckeramts müsse zudem durch eine Bescheinigung des Nachlassgerichts, eine öffentlich beglaubigte Annahmeerklärung oder durch eine Niederschrift des Nachlassgerichts nachgewiesen werden. Die im konkreten Fall vorgelegte Annahmebescheinigung war nach Ansicht des OLG hierfür ausreichend, da sie zum einen die Erklärung der Annahme sowie zum Zweiten auch die Personalien der Testamentsvollstreckerin beinhaltete und von einem Rechtspfleger ausgestellt war.
Hinweis: Eine privatschriftliche Erklärung kann im Hinblick auf die Formerfordernisse nicht zum Nachweis der Amtsannahme eines Testamentsvollstreckers ausreichen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 24.09.2024 - 34 Wx 218/24 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit der Wirksamkeit einer Klausel in einem privatschriftlichen Testament beschäftigen. Der Erblasser hatte zwei Söhne, die er jeweils hälftig zu seinen Erben einsetzte. Auf der letzten Seite des Testaments verfügte der Erblasser, dass er seinen namentlich benannten Sohn enterbt, sollte dieser seine derzeitige Lebensgefährtin heiraten. So etwas kann doch nicht zulässig sein - oder etwa doch?
Der Sohn heiratete seine Lebensgefährtin trotz der Klausel. Und es kam, was zu erwarten war: Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Bruder einen Alleinerbschein. Diesen wies das Nachlassgericht jedoch zurück, da es der Ansicht war, dass die Klausel in dem Testament sittenwidrig sei.
Das OLG teilte diese Ansicht im Ergebnis nicht und argumentierte damit, dass die Testierfreiheit des Erblassers Vorrang habe vor der Eheschließungsfreiheit des Sohns. Der Erblasser durfte frei darüber bestimmen, wen er als Erben einsetzen wollte. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass die Klausel sittenwidrig wäre, führt dies nach Ansicht des OLG nicht automatisch dazu, dass der nunmehr verheiratete Sohn hälftig Miterbe werde. Das Gericht stellte klar, dass der Erblasser den Sohn nur unter der Bedingung der Nichtheirat als Erben einsetzen wollte. Da diese Bedingung nicht erfüllt wurde, war dessen Bruder zum Alleinerben berufen.
Hinweis: Die Sittenwidrigkeit einer Klausel führt nicht zwangsläufig zu einer Unwirksamkeit der gesamten testamentarischen Verfügung. Im Ergebnis kommt es immer darauf an, ob der Wille des Erblassers durch die übrigen Verfügungen aufrechterhalten werden kann.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 23.09.2024 - 33 Wx 325/23 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Zum Thema Familienrecht
- Angreifbarer Sorgerechtsbeschluss: Keine Sorgerechtsentscheidung ohne negative Kindeswohlprüfung
- Bestimmtheitsgebot: Beschwerdeanträge müssen klar bestimmt sein
- Ersatz für Zugewinnausgleich: Riskantes Vorgehen einer Anwältin kommt diese teuer zu stehen
- Flexibilität fürs Kindeswohl: Selbständige müssen zur Unterhaltssicherung nicht unbedingt ins Angestelltenverhältnis wechseln
- Gewaltschutz: WhatsApp-Statusmeldung ist noch keine Kontaktaufnahme
Sorgerechtsstreitigkeiten gehen oft durch alle Instanzen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Rostock (OLG) kann eine höhere Instanz einen Sorgerechtsstreit sogar dann zurückverweisen, wenn dies gar nicht beantragt war. Klingt komisch? Dann lesen Sie selbst.
Die unverheirateten Kindeseltern hatten sich im Juni 2022 getrennt. Der Vater wollte gern die gemeinsame Sorge. Die Mutter sträubte sich zunächst, da Gewaltvorwürfe gegen den Vater im Raum standen. Später stimmte sie jedoch zu. Auch das Jugendamt und Psychologen befürworteten die gemeinsame Sorge. Also wurde diese dann auch amtsgerichtlich festgestellt, wobei das Amtsgericht (AG) hier nur die Zustimmung der Mutter und die Empfehlungen der Psychologen und Ämter berücksichtigte - eine Kindeswohlprüfung wurde hingegen nicht durchgeführt. Die Mutter legte daraufhin Beschwerde gegen die Entscheidung ein, da sie nicht richtig über die Auswirkungen ihrer Zustimmung aufgeklärt worden sei.
Das OLG hat daraufhin den Sorgerechtsbeschluss des AG und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde insgesamt an das AG zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dies sei nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sogar ohne dahingehenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten möglich. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Gericht in der Sache selbst noch nicht entschieden hat. Hier wurde zwar ein Sorgerechtsbeschluss gefasst - das Gericht hatte aber im vereinfachten Verfahren entschieden. Eine grundsätzlich gebotene negative Kindeswohlprüfung wurde nicht durchgeführt, und genau diese muss es jetzt nachholen.
Hinweis: Ein Gericht darf sich in seiner Prüfung also nicht allein auf die Prüfung beschränken, ob eine Maßnahme dem Kindeswohl entspricht - vielmehr muss es gerade auch prüfen, ob die Entscheidung dem Kindeswohl widerspricht. Tut es das nicht, dann ist seine Entscheidung unter Umständen angreifbar.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 27.09.2024 - 10 UF 50/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Wer sich durch eine Gerichtsentscheidung beschwert fühlt, kann Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung oder einen Teil der Entscheidung einlegen. Hierzu muss man aber ganz genau benennen, im welchem Umfang man sich beschwert fühlt und mit welchem Ziel die angegriffene Entscheidung angefochten werden soll. Unklar war im folgenden Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH), ob der Beschwerte dies im ausreichenden Umfang getan hatte.
Im Jahr 1996 hatte ein Paar durch formlose Erklärung in Ägypten eine sogenannte "Orfi-Ehe", auch "Urfi-Ehe" genannt, geschlossen. 1998 schloss das Paar vor einem Notar im ägyptischen Alexandria schließlich noch die offizielle Ehe mit Ehevertrag. Der Mann war seinerzeit ägyptischer Staatsbürger, die Frau deutsche Staatsbürgerin. Später ließ sich das Paar scheiden. Im Verfahren setzte der Mann eine Auskunftserteilung zur Berechnung des Unterhalts gegen die Frau durch. Nach Auskunftserteilung bezifferte er seinen Antrag aber nicht. Vielmehr beantragte er, dass das Amtsgericht vorab entscheiden soll, ob der Zugewinnausgleich grundsätzlich nach deutschem Recht durchzuführen ist. Der Antrag auf Zugewinnausgleich wurde zurückgewiesen, weil die Beteiligten im Ehevertrag eine Rechtswahl zugunsten des "islamischen Rechts" getroffen hätten. Hiergegen legte der Mann Beschwerde ein, die jedoch als unbestimmt zurückgewiesen wurde.
Der BGH war hier jedoch anderer Meinung. Denn nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit muss der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen damit begründen, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären. Und diesen Vorgaben hatte der Mann hier in Augen des BGH-Senats entsprochen.
Hinweis: Denken Sie bei Ihrer Beschwerde an die W-Fragen: Was beschwert Sie? Warum beschwert es Sie? In welchem Umfang beschwert es Sie? Wie und in welchem Umfang soll erreicht werden, dass diese Beschwer wegfällt? Wenn Sie diese Fragen in Ihrem Antrag beantworten können, sollte dieser bestimmt genug sein.
Quelle: BGH, Beschl. v. 14.08.2024 - XII ZB 386/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Wer dem guten Rat folgt, einen Rechtsbeistand einzuschalten, der möchte zu Recht sichergehen, dass dieser die Interessen seiner Mandanten gebührend vertritt. Das bedeutet auch, dass Anwälte gerade bei unklarer Rechtslage alle Risiken miteinbeziehen und den sichersten Weg empfehlen müssen. Alles andere führt zu Schadensersatzansprüchen und zum Verlust von Rechtsansprüchen - wie in diesem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete.
Ein ehemaliger Mandant verklagte seine Anwältin auf rund 86.000 EUR Schadensersatz. Er hatte Zugewinnausgleich in dieser Höhe gegen seine Frau geltend gemacht, dieser Anspruch wurde ihm gerichtlich aber rechtskräftig verwehrt. Die Ex-Frau hatte zunächst eine Klage auf Zugewinnausgleich beim Amtsgericht (AG) Mannheim eingereicht. Ihr Ex-Mann tat daraufhin Selbiges beim AG in Delmenhorst. Und eben dieses regte das Ruhen des Verfahrens so lange an, bis die Kollegen in Mannheim über die Klage der Frau entschieden haben. Weil Mannheim aber eben nicht entschied, nahm die Anwältin das Verfahren in Delmenhorst erneut auf - dies aber erst nach zehn Monaten. Die Ex-Frau berief sich daher auf Verjährung - und bekam Recht. Der Mann sah hier ein Verschulden bei seiner Anwältin und nahm sie deswegen in die Haftung.
Vor dem BGH bekam er auch Recht. Nach § 204 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch wird die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt, und zwar für sechs Monate. Im Einzelfall kann die Hemmung auch länger andauern, wenn es für das Nichtbetreiben einen wichtigen Grund gibt. Nimmt ein Anwalt einen wichtigen Grund an, darf er sich aber nicht darauf verlassen, dass das Gericht das ebenso sieht. Er muss also vor Ablauf der Sechsmonatsfrist das Verfahren wieder aufnehmen. Sonst kann in der Tat ein Schaden entstehen, für den der Anwalt einstandspflichtig ist. Im vorliegenden Fall muss die Anwältin nun also den "Zugewinnausgleich" stemmen, also sage und schreibe rund 86.000 EUR.
Hinweis: Auch die Verjährung in Familiensachen wird durch Aufnahme der Rechtsverfolgung gehemmt. Familiensachen dürfen nicht länger als sechs Monate nicht betrieben werden, sonst können sie verjähren.
Quelle: BGH, Urt. v. 19.09.2024 - IX ZR 130/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu leisten. Um diesen zu sichern, kann von einem selbständigen Elternteil sogar gefordert werden, in eine besser bezahlte Anstellung zu wechseln. Ausnahme: Die Selbständigkeit sichert gerade erst, dass sich der Elternteil gut und flexibel um die Kinder kümmern kann, so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Die Eltern zweier minderjähriger Kinder trennten sich im August 2021. Die Kinder blieben bei der Mutter. Sie zogen mit ihr aus der elterlichen Wohnung in eine Mietwohnung. Der Vater verblieb in einer Immobilie, deren Eigentümer er war, und vermietete diese unter. Die Mutter bezog Berufsunfähigkeitsrente und arbeitet zudem stundenweise selbständig. Nun stritten beide Elternteile um den Unterhaltsanspruch der Mutter. Der Vater wollte diesen nicht zahlen, die Mutter könne schließlich vollschichtig arbeiten gehen. Den Unterhalt für die Kinder zahlte der Vater wiederum anstandslos.
Die Richter des OLG standen auf Seiten der Mutter. Zwar kann von einem Unterhaltsschuldner die Aufgabe einer selbständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten, abhängigen Beschäftigung zumutbar sein. Hier sichert die selbständige Arbeit der Mutter durch die damit verbundene Flexibilität, die im Rahmen eines Angestelltendaseins nicht gegeben ist, dass sie den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden kann.
Hinweis: Unter dem Strich geht es immer um das Kindeswohl. Kann man diesem im Rahmen der Selbständigkeit oder stundenweisen freien Tätigkeit besser gerecht werden, kann nicht verlangt werden, dass man diese aufgibt. Wird von Ihnen im Rahmen eines Unterhaltsprozesses verlangt, dass Sie sich beruflich verändern, argumentieren Sie mit dem Kindeswohl. Nur, wenn die Änderung diesem förderlich wäre, kann diese von Ihnen verlangt werden - sonst nicht!
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.07.2024 - 4 UF 35/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Über das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) lassen sich Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirken. Aber was genau als Kontaktaufnahme gilt, ist besonders in unseren kommunikativ durchtechnisierten Zeiten oft nicht einfach zu bewerten. Genau dann müssen eben auch die Gerichte entscheiden, so wie das Oberlandesgericht Hamburg (OLG).
Die Rechtsanwältin einer Ehefrau hatte deren Ehemann zur Auskunft über seine Vermögensverhältnisse aufgefordert, um den Unterhaltsanspruch der Frau zu berechnen. Eine Auskunft erhielt sie nicht, stattdessen aber übelste und äußerst obszöne Beleidigungen per Mail. Daher erwirkte sie eine Anordnung nach § 1 GewSchG gegen den Ehemann, mit der ihm untersagt wurde, in irgendeiner Form Kontakt zur Rechtsanwältin aufzunehmen, sie zu bedrohen, zu beleidigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Als die Rechtsanwältin ihn später zur Bezahlung einer Forderung aufforderte, zahlte er nicht. In seinem WhatsApp-Status beschimpfte er die Anwältin kurz darauf aber als "korrupte Anwältin" und sparte dabei auch nicht an Beleidigungen seiner Exfrau. Die Juristin hielt dies für einen Verstoß gegen das GewSchG und wollte ein Ordnungsmittel gegen den Ehemann erwirken.
Damit scheiterte sie aber. Das OLG sah in der WhatsApp-Statusmeldung keine Kontaktaufnahme. Zwar werde die Rechtsanwältin angesprochen, eine Kontaktaufnahme setze aber eine aktive Handlung voraus, nicht nur eine bloße Statusmeldung.
Hinweis: Wurden Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirkt, sollte man trotz dieser Entscheidung auch Statusmeldungen, in denen man angesprochen wird, melden. Auch wenn diese noch keine Kontaktaufnahme sind, können sie doch der Anfang einer neuen Eskalation sein. Man tut gut daran, Schutzmaßnahmen zu verschärfen oder eine neue Beratung in Anspruch zu nehmen, was man in solchen Fällen machen kann. Im Status kann zum Beispiel ja auch eine Beleidigung enthalten sein, die neue rechtliche Anordnungen rechtfertigen kann.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.10.2024 - 12 WF 87/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)