Rechtsnews
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Zum Thema Erbrecht
- Erlass von Kaufpreisraten: Benachteiligung der Vertragserben nur bei missbräuchlichen Schenkungen
- Gesetzlich Verpflichtete: Zur Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger
- Möglichkeiten nicht ausgeschöpft: BGH lehnt Verweigerung eines Notars zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ab
- Nach Geltendmachung des Vermächtnisses: Strenge Anforderungen an die Annahme, dass auf den Zusatzpflichtteil verzichtet wurde
- Testamentsvollstreckervergütung: Kein Entnahmerecht vor Schlussrechnung nach Beendigung des Amts
Durch einen Erbvertrag wird das Recht des Erblassers, über sein Vermögen zu Lebzeiten zu verfügen, nicht eingeschränkt. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten eine Schenkung gemacht hat, um den oder die Vertragserben zu beeinträchtigen. In diesem Fall kann der Erbe von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen. Diese rechtliche Konstellation war Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG).
Die Erblasserin veräußerte im Jahre 2014 ihren Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 300.000 EUR an den Sohn. Der Kaufvertrag sah eine zinslose Stundung des Kaufpreises vor. Der Sohn war dazu verpflichtet, monatliche Tilgungsbeiträge zu je 2.000 EUR zu leisten. Im Jahr 2015 setzten sich die Eltern wechselseitig zu Alleinerben und die Tochter zur Schlusserbin nach dem Längstlebenden ein. Im Wege eines Vermächtnisses verfügten sie, dass nach dem Tod des Längstlebenden der restliche Kaufpreis des Grundstücks erlassen werde. Nach dem Tod des Ehemanns setzte die Erblasserin hingegen bereits im Jahr 2021 ein Schriftstück auf, in dem sie erklärte, dass sowohl sie als auch ihr Mann gegenüber dem Sohn auf die Zahlung des restlichen Kaufpreises verzichtet hätten. Die Tochter war nach dem Tod der Mutter der Ansicht, dass dieser Verzicht eine missbräuchliche Benachteiligung ihrer Erbenstellung sei, da bei einer Fortzahlung der Kaufpreisraten diese zum Teil der Erbmasse geworden wären.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG im Ergebnis jedoch nicht an. Zunächst stellte es klar, dass ein Erblasser über sein Vermögen unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen kann - auch wenn er durch einen Erbvertrag eine Verfügung von Todes wegen festgelegt hat. Nur ausnahmsweise ist diese Freiheit eingeschränkt - und zwar, wenn die Schenkungen in der Absicht erfolgen, den Vertragserben missbräuchlich zu benachteiligen. Es kommt laut OLG darauf an, ob die Schenkung auf eine Korrektur des Erbvertrags angelegt war. Das wird angenommen, wenn der Erblasser ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wesentliche Vermögenswerte anderen zuwendet. Hier konnte das OLG aber darauf abstellen, dass sich sowohl der Sohn als auch die Tochter umfangreich um die Erblasserin und den vorverstorbenen Vater gekümmert hatten und der Lebensunterhalt der Eltern auch ohne die monatlichen Raten gesichert war. Deshalb war der Erlass der Kaufpreisraten als sittlich billigenswert anzuerkennen. Die Schwester hatte damit keinen Anspruch auf weitere Kaufpreisraten für das Grundstück.
Hinweis: Der Beschenkte muss die Umstände darlegen, die auf ein berechtigtes Interesse des Erblassers schließen lassen. Anschließend trifft den Vertragserben die Beweislast dafür, dass es sich um eine nicht billigenswerte Beeinträchtigung des Vertragserben handelt.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.07.2024 - 3 U 14/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Im Sozialhilferecht ist die Übernahme von angemessenen Bestattungskosten für solche Fälle geregelt, in denen die eigentlich Verpflichteten nicht dazu in der Lage sind, die Kosten zu tragen. Die Frage, wer Verpflichteter im Sinne dieser gesetzlichen Regelung ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LSG).
Nach dem Tod des Erblassers schlug die Tochter die Erbschaft nach ihrem Vater aus, zu dem sie seit Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte. Die Kommune forderte von der Tochter dennoch die Übernahme von Bestattungskosten, woraufhin die Tochter beim zuständigen Amt einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten stellte. Diesen Antrag lehnte die Kommune ab und verwies die Tochter darauf, dass noch weitere Erben vorhanden seien und sie Erstattungsansprüche folglich auch diesen gegenüber geltend machen könne.
Das Sozialgericht war zunächst noch der Ansicht, dass der Antrag der Tochter vom Sozialträger zu Recht abgewiesen worden sei, jedoch hob das LSG die Entscheidung auf. Dabei ging es vornehmlich um die Frage, ob die Tochter Verpflichtete im Sinne des Gesetzes war und ihr die Bestattungskosten nicht zugemutet werden konnten.
Zwar war die Tochter zur Besorgung der Bestattung vorrangig verpflichtet. Der Umstand, dass es möglicherweise vorrangige oder nachrangige verpflichtete Personen gibt, stehe dem Begriff des Verpflichteten im sozialrechtlichen Sinne also nicht entgegen. Sinn der Regelung sei es, eine würdige Bestattung des Verstorbenen zu gewährleisten. Dieser Zweck könne aber nicht erreicht werden, wenn Hinterbliebene bei der Beauftragung der Beerdigung nicht sicher abschätzen können, ob sie den sozialhilferechtlichen Anspruch geltend machen können. Wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung also nicht sicher abgeschätzt werden kann, ob noch andere Personen als Verpflichtete in Betracht kommen, steht dies einem Antrag auf Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger nicht entgegen.
Hinweis: Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten auch auf die Nähe und die Beziehung zum Verstorbenen an.
Quelle: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.05.2024 - L 9 SO 18/19
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(aus: Ausgabe 09/2024)
Notare sind in einem gewissen Umfang gesetzlich dazu verpflichtet, Urkunden zu erstellen. Verweigert ein Notar die Erstellung einer solchen Urkunde, sind an diese Berechtigung zur Verweigerung hohe Anforderungen geknüpft. Im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) verweigerte ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses - ob zu Recht, lesen Sie hier.
Der im Jahr 2020 verstorbene Erblasser hatte seine Lebensgefährtin als Alleinerbin eingesetzt. Diese wurde aufgrund eines Teilurteils dazu verpflichtet, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Hiermit beauftragte die Erbin einen Notar, der in der Folge eigene Ermittlungen zum Bestand des Nachlasses anstellte. Dazu gehörten unter anderem Einsichten in elektronische Grundbücher mehrerer Amtsgerichte sowie die Einholung von Auskünften über Geschäftsverbindungen des Erblassers bei zehn Kreditinstituten. Der Notar war der Ansicht, dass die Erbin zu klärungsbedürftigen Sachverhalten keine Auskunft erteilen könne, weil sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit mit dem Erblasser zusammen gewesen sei. Da die Erbin ihrer Mitwirkungspflicht daher nicht nachgekommen sei oder nicht nachkommen könne, würde er als Notar ein Nachlassverzeichnis wegen der Vielzahl unklarer Sachverhalte folglich auch nicht erstellen können.
Nachdem das Landgericht zunächst noch zugunsten des Notars entschieden hatte, dass die von ihm angestellten eigenen Ermittlungen angemessen und ausreichend gewesen seien und er aus diesem Grund mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kein inhaltlich richtiges Nachlassverzeichnis erstellen konnte, hob der BGH diese Entscheidung wieder auf. Er war im Ergebnis der Ansicht, dass die bisherigen Tätigkeiten des Notars noch nicht ausreichend gewesen seien, um alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts auszuschöpfen. Nachdem die Erbin Andeutungen über Schenkungen des Erblassers an seine Enkelin gemacht hatte, hätte der Notar selbst Nachforschungen zu Zeitpunkt und Höhe etwaiger Schenkungen durch Einsichtnahme in Kontoauszüge anstellen müssen. Auch hätte es nahegelegen, die entsprechenden Personen zu möglichen Schenkungen zu befragen. Wenn nach den gebotenen Nachforschungen und einer Mitwirkung der Erbin Zweifel verbleiben, können diese im Nachlassverzeichnis zum Ausdruck gebracht werden. Derlei Zweifel berechtigen jedoch nicht dazu, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gänzlich zu verweigern.
Hinweis: Der Notar hat im Rahmen der Ermittlung zum Nachlass alle Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter als erforderlich ansehen würde. Der Notar kann beispielsweise die Erbin auch auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten durchzusetzen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 19.06.2024 - IV ZB 13/23
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(aus: Ausgabe 09/2024)
Wird ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, kann er den Pflichtteil nur verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Tut er das nicht, steht ihm der Pflichtteil nur zu, soweit dessen Wert über dem des Vermächtnisses liegt (= Zusatzpflichtteil). Vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG) ging es nun darum, ob ein Pflichtteilsberechtigter mit der vorbehaltlosen Geltendmachung des Vermächtnisses durch "schlüssiges Verhalten" auf diesen Zusatzpflichtteil verzichtet hatte.
Die pflichtteilsberechtigten Kinder des Erblassers waren von ihrem Vater aufgrund eines notariellen Testaments mit Vermächtnissen bedacht worden. Nach dem Tod des Vaters forderten sie die Alleinerbin - die Ehefrau aus zweiter Ehe - dazu auf, das Vermächtnis aus dem Verkauf eines Wertpapierdepots zu erfüllen. Dieser Verpflichtung kam die Erbin nach. In der Folge entstand ein Streit über die Wertermittlung von Immobilien im Nachlass des Erblassers. Die Alleinerbin war der Ansicht, diesen Wertermittlungsanspruch nicht erfüllen zu müssen, da die Kinder durch die Geltendmachung des Vermächtnisses ohnehin keinen Anspruch mehr als Pflichtteilsberechtigte geltend machen könnten.
Diese Auffassung teilte das OLG im Ergebnis nicht. Die Kinder hätten durch die Geltendmachung des Vermächtnisses weder ausdrücklich noch stillschweigend auf ihren Pflichtteil verzichtet. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass zwischen den Beteiligten unmissverständlich klar gewesen wäre, dass mit Annahme des Geldbetrags aus dem Vermächtnis keine Pflichtteilsansprüche mehr geltend gemacht werden. Entgegen der Ansicht der Erbin sei es auch nicht notwendig gewesen, sich bei der Annahme des Vermächtnisses die Geltendmachung von restlichen Pflichtteilsansprüchen ausdrücklich vorzubehalten. Das OLG hat die Erbin im Ergebnis daher dazu verpflichtet, die Wertgutachten für die Immobilien durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen.
Hinweis: Der Erbe kann dem Pflichtteilsberechtigten eine angemessene Frist zur Erklärung setzen, ob er das Vermächtnis annimmt. Läuft die Frist ohne eine solche Erklärung ab, gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 29.07.2024 - 6 U 51/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Ein Testamentsvollstrecker kann für die Führung seines Amts eine angemessene Vergütung verlangen, sofern der Erblasser nicht etwas anderes bestimmt. Mit der Festlegung der Vergütungshöhe und der Frage, ob ein Testamentsvollstrecker bereits vor Erstellung einer Schlussrechnung Gelder als Vorschuss entnehmen darf, beschäftigte sich das Landgericht Bremen (LG).
Die Testamentsvollstreckerin übte ihr Amt über mehrere Jahre aus und machte mit einer Vorschussrechnung eine Vergütung von rund 350.000 EUR geltend, die sie bereits vorher in mehreren Abbuchungen vom Konto des Erblassers entnommen hatte. Die Erben waren der Ansicht, dass diese Vergütung nicht angemessen sei und eine Zahlung vor Beendigung des Amts nicht gefordert werden könne.
Das LG setzte die Höhe der Vergütung auf rund 281.000 EUR fest. Die Angemessenheit sei an der Art der Testamentsvollstreckung, dem daraus resultierenden Pflichtenkreis, dem Gegenstand, der Dauer und der Besonderheit bei der Durchführung der Vollstreckung zu bemessen. Zur Konkretisierung der Angemessenheit könne dann auf die Grundsätze der tabellarischen Empfehlung der "Neuen Rheinischen Tabelle" zurückgegriffen werden. Ein Entnahmerecht stand der Testamentsvollstreckerin hingegen nicht zu. Dieses Recht setzt eine Fälligkeit der Vergütung voraus, was regelmäßig erst nach Beendigung des Amts der Fall ist. Eine Schlussrechnung lag zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht vor.
Hinweis: Bei einer länger andauernden Testamentsvollstreckung kann ein Testamentsvollstrecker eine Vergütung nach Zeitabschnitten - beispielsweise jährlich - geltend machen.
Quelle: LG Bremen, Urt. v. 05.04.2024 - 4 O 189/17
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(aus: Ausgabe 09/2024)
Zum Thema Familienrecht
- Keine Übertragung von Bagatellen: Grundrentenentgeltpunkte im Versorgungsausgleich
- Prozesstaktik bei besonderer Konstellation: Über den Verfahrenswert im vorzeitigen Zugewinnausgleich
- Schwammige Umgangsvereinbarung: Kein Ordnungsgeld nach zufälligen Treffen
- Sittliche Pflicht: Bürgergeldbezieher müssen keinen Kindesunterhalt aus Geld für häusliche Pflege zahlen
- Zusammenspiel von Versorgungsausgleich und Unterhalt: Versorgungsausgleichsanteil der Rente prägt nicht den ehelichen Bedarf
Wer 33 oder mehr Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwirbt sogenannte Grundrentenpunkte für langjährig Versicherte. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung stellt sich die Frage, ob diese Grundrentenpunkte separat zu betrachten seien oder womöglich eher als "Bagatelle" nicht aufgeteilt werden müssten. In einem solchen Fall war kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) gefragt.
Hier hatte die Ehefrau neben dem "normalen" Anrecht in der allgemeinen Rentenversicherung einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sogenannte Grundrentenentgeltpunkte) erlangt. Der Grundrentenanteil allein betrachtet lag als Kapitalwert unterhalb der 2023 geltenden Bagatellgrenze von 4.074 EUR. Nun stellte sich die Frage, ob diese Bagatelle einen zusätzlichen Aufwand begründen könne. Zwar entstehe bei der Grundrente durch die Übertragung der Entgeltpunkte als solche kein besonderer Verwaltungsaufwand. Im Alter wäre dann aber zu prüfen, ob es überhaupt zur Auszahlung kommt. Das hängt vom Einkommen ab. Ob dieser Aufwand ins Gewicht fällt, beurteilten die Gerichte bisher verschieden. Die Gerichte in Frankfurt, Oldenburg und Braunschweig sahen darin einen zu hohen Aufwand. Das Bamberger Gericht war der Auffassung, dass aufgrund des automatischen Abgleichs mit den Finanzbehörden dieses Verfahren recht mühelos verlaufen wird.
Der Senat des hier urteilenden OLG schloss sich nun der zuerst genannten Auffassung an. Es bedürfe schließlich nicht nur des jährlichen Abrufs der Daten, sondern auch der anschließenden Berechnung, ob und in welcher Höhe es zu einer Anrechnung käme. Zudem könne der an sich vorgesehene automatisierte Datenabgleich ins Leere gehen, wenn trotz der Steuererklärungspflicht keine Steuererklärung abgegeben wurde oder der Berechtigte nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei. Das OLG bezog in die konkrete Abwägung noch mit ein, dass der Ehemann angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich seiner Versorgungssituation nicht dringend auf den Ausgleich dieser letztendlich zusätzlichen 12 EUR monatlich angewiesen sei.
Hinweis: Der Rechtsmittelweg zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Dazu kommt es aber nur, wenn der Ehemann auf seine 12 EUR so viel Wert legt, dass er auf sein Kostenrisiko zur Rechtsfortbildung beitragen will.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.06.2024 - 16 UF 82/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Üblicherweise wird mit der Ehescheidung darüber entschieden, wie viel Zugewinn die Eheleute gemacht haben und wem ein Ausgleich zusteht. Wenn es um große Summen geht - im Fall des Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) um mehr als 2 Mio. EUR Ausgleichsforderung -, lohnt es sich für den Ausgleichsberechtigten, über einen anderen prozessualen Verlauf nachzudenken, um vor der Scheidung schon in Genuss der schnellen Ausgleichszahlung oder einer guten Verzinsung zu kommen.
Das Anliegen der Antragstellerin beschränkte sich hier auf das Fälligkeitsinteresse. Dieses Interesse ist in Abhängigkeit von der Ausgleichsforderung und der zu erwartenden Dauer bis zur Rechtskraft des Scheidungsausspruchs zu schätzen. Weil auch dieses (Zins-)Interesse von der Höhe des zu erwartenden Zugewinnausgleichs abhängt, kann hiervon ein Bruchteil angesetzt werden. Dieser Bruchteil ist in der Regel geringer als mit einem Viertel des voraussichtlichen Anspruchs zu bewerten, weil angesichts des rechtshängigen Scheidungsverfahrens zu erwarten ist, dass die Ehe ohnehin in nicht allzu ferner Zeit aufgelöst wird. Im hier zu entscheidenden Fall hätte aber die Ermittlung der Immobilienwerte zu einer erheblichen Verzögerung des Scheidungsverbundverfahrens führen können. Der Senat schätzte die zu erwartende Ausgleichsforderung anhand der (bislang) unwidersprochenen Angaben der Ehefrau auf mindestens 2.035.000 EUR und setzt den Verfahrenswert auf 10 % hiervon fest.
Hinweis: Ein solches Verfahren kann man immer dann einleiten, wenn die Trennung mehr als 36 Monate her ist - sogar ohne dass ein Scheidungsverfahren läuft oder ohne dass man jemals geschieden werden möchte.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.07.2024 - 11 UF 560/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Ein Gerichtsbeschluss nutzt nur dann etwas, wenn man ihn auch durchsetzen kann oder aus der Nichtbefolgung Nachteile entstehen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) machte in seiner Entscheidung nochmal deutlich, dass klare Fomulierungen unerlässlich für die Durchsetzbarkeit von Beschlüssen sind.
Eine Mutter wollte gegen den Vater ihrer Kinder ein Ordnungsgeld festsetzen lassen. Ein Kind wohnte bei ihr, das andere beim Vater, und der jeweilige Kontakt zum anderen Elternteil war streitig gewesen. Einen Monat zuvor hatten die Eltern mit gerichtlicher Hilfe eine Einigung zu Protokoll gebracht, die das Familiengericht per Beschluss gebilligt und die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - verhängt werden könne. In der Umgangsvereinbarung hatte es eine genaue Regelung der Umgangszeiten beider Eltern gegeben und zum Abschluss die Formulierung: "Darüber hinaus sind sich die Eltern einig, dass außerhalb der vereinbarten Umgangszeiten kein Kontakt zu dem jeweiligen Kind gesucht wird." Die Mutter warf dem Vater nun vor, hiergegen fortlaufend zu verstoßen und das Kind, das bei ihr wohnte, an der Schule abzufangen. Das Problem hierbei: Beide Kinder besuchten dieselbe Schule.
Das OLG lehnte die Festsetzung eines Ordnungsmittels ab, weil die Vereinbarung nicht so konkret gefasst worden war, dass man dem Vater einen Verstoß vorwerfen könne. Gerade weil das bei ihm lebende Kind dieselbe Schule wie sein Geschwisterkind besuche, könne man ohne nähere Konkretisierung nicht beurteilen, ob Kontakt "gesucht" worden sei oder ob es sich um zufällige Begegnungen gehandelt habe. Das Suchen von Kontakt impliziere ein aktives Tun zur Herbeiführung des Kontakts. Eine Verpflichtung, zufällige Kontakte zu verhindern oder durch aktives Entfernen abzubrechen, sei der Vereinbarung nicht zu entnehmen.
Hinweis: Wer Wert auf ein solches Kontaktverbot legt, muss schon beim Formulieren des Vereinbarungstexts darauf achten, dass es so bestimmt und unzweideutig ist, dass es dadurch vollstreckungsfähig wird.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.07.2024 - 18 WF 14/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Wenn ein Unterhaltspflichtiger den Kindesunterhalt nicht leisten kann, springt zumeist die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamts ein. Ob Unterhaltspflichtige, die neben Bürgergeld zusätzlich Geld für eine häusliche Pflege bekommen, davon Unterhalt zu zahlen haben, klärte das Oberlandesgericht Bamberg (OLG)
Hier ging es um die Mutter eines minderjährigen Kindes, die von Bürgergeld lebte. Das Kind wohnte beim Vater. Zusätzlich bekam die Frau von der Mutter ihres Lebensgefährten, die mit im Haushalt wohnte, Geld als Gegenleistung für häusliche Pflege und als Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten. Trotz dieses Zusatzverdiensts zahlte die Mutter keinen Kindesunterhalt. Daher sprang die Unterhaltsvorschusskasse beim Jugendamt ein und verklagte die Mutter auf Regress der übergegangenen Unterhaltsansprüche. Dieses Verfahren verlor das Jugendamt jedoch.
Laut OLG sind die Zahlungen nicht als Einkommen zu qualifizieren. Die Pflegeleistungen werden aufgrund einer anzuerkennenden engen persönlichen Beziehung im Rahmen einer bestehenden sittlichen Pflicht erbracht, weshalb diese Einnahmen kein neben dem Bürgergeldbezug zu berücksichtigendes Einkommen sind.
Hinweis: Das bedeutet übrigens nicht, dass aus Sicht des Kindes nicht geprüft werden könnte, ob die Mutter fiktiv leistungsfähig ist, weil sie zum Mindestlohn erwerbstätig sein könnte und ihre Erwerbsobliegenheit verletzt. Diese Überlegung steht aber nur dem Unterhaltsberechtigten selbst zu, nicht der Unterhaltsvorschusskasse.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 19.07.2024 - 2 UF 43/24 e
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)
Bei der Unterhaltsberechnung wird zwischen "ehelichem Bedarf" und "Bedürftigkeit" unterschieden. Aus dem Bedarf ergibt sich, was am Ende zur Verfügung stehen muss, bei der Bedürftigkeit wird das Eigeneinkommen angerechnet. In einfachen Fällen sind die Beträge bei Bedarf und Bedürftigkeit identisch. Wenn der Berechtigte berentet ist und vom Versorgungsausgleich profitiert, während der Pflichtige noch berufstätig ist und keine aktuelle Kürzung hinnehmen muss, kommt es zu Terminen wie hier vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG).
Die 59 Jahre alte Ehefrau bezog bereits seit zehn Jahren eine volle Erwerbsminderungsrente von monatlich rund 1.400 EUR. Ein Minjob war ihr gemäß einem ärztlichen Gutachten nicht zumutbar, weil sie nach einer Darmkrebserkrankung unter Stuhlinkontinenz litt und aus Scham ihre Wohnung kaum verließ. Nun verlangte sie nach 28 Ehejahren dauerhaft Nachscheidungsunterhalt. Ihr Mann wollte gar nichts zahlen - und wenn doch, dann nicht lange. Durch den Versorgungsausgleich erhöhte sich die Rente der Ehefrau nun um monatlich 250 EUR, und das OLG nahm sich der Aufgabe an, zu berechnen, was das bedeutet.
In dieser Konstellation beinhaltete das, dass nur der kleine selbsterarbeitete Rentenbetrag von 1.400 EUR zusammen mit dem Einkommen des Mannes (hier 2.400 EUR) den ehelichen Bedarf prägte. Davon wurde aber der volle Rentenbetrag inklusive des Versorgungsausgleichs (mithin 1.650 EUR) abgezogen. Mit diesen Zahlen kämen demnach 250 EUR Unterhalt heraus. Diesen Unterhalt begrenzte das OLG zudem trotz der langen Ehedauer auf vier Jahre, da die ehebedingten Nachteile durch den Versorgungsausgleich bereits aufgefangen worden waren.
Hinweis: Es gibt keine Rechenformel, nach der sich aus einer gewissen Ehedauer ein Zeitraum für Nachscheidungsunterhalt ergibt, das hat das OLG wieder betont. Abwägungskriterien für die konkrete Bestimmung einer Übergangsfrist sind neben dem Alter des Unterhaltsberechtigten die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, die Länge des Zeitraums, in dem bereits Trennungsunterhalt gezahlt wird, sowie die beiderseitigen Vermögensverhältnisse.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 12.06.2024 - 13 UF 153/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 09/2024)