Rechtsnews
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Zum Thema Erbrecht
- Erstellung des Nachlassverzeichnisses: Pflichtteilsberechtigte haben kein Recht, bei jeder Ermittlungshandlung anwesend zu sein
- Irrtum über Werthaltigkeit: Wer eine Erbschaftsausschlagung erfolgreich anfechten will, muss die Formvorschriften beachten
- Kostentragungspflicht: Unwahre Angaben können auch in einem Erbscheinsverfahren empfindliche Folgen haben
- Postmortale Testierfähigkeitsprüfung: Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Zeugenbefragung unabdingbar
- Postmortale Vollmacht: Bevollmächtigte können Nacherbenvermerk im Grundbuch löschen lassen
Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist das Ergebnis der Ermittlungen durch den erstellenden Notar. Ob und in welchem Umfang ein Pflichtteilsberechtigter bei der Erstellung bzw. bei den hierfür notwendigen Einzelschritten persönlich hinzugezogen werden muss, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG).
Die Erbin in dem vorliegenden Rechtsstreit war dazu verpflichtet worden, ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen. Nachdem die Erbin der Verpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen war, beantragte der Pflichtteilsberechtigte die Verhängung eines Zwangsgelds. Der zunächst erlassene Zwangsgeldbeschluss wurde aufgehoben, nachdem die Erbin das Verzeichnis nachgereicht hatte. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Pflichtteilsberechtigten, die er damit begründete, dass sein Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses verletzt worden sei. Darüber hinaus habe die betraute Notarin das Verzeichnis unvollständig erstellt und keine eigenen ausreichenden Ermittlungen durchgeführt.
Den Antrag des Pflichtteilsberechtigten wies das OLG jedoch zurück. Das Gericht stellte klar, dass das notarielle Nachlassverzeichnis eine Tatsachenbescheinigung des Notars über seine eigenen Ermittlungen darstelle. Ein Pflichtteilsberechtigter sei nicht berechtigt, an der gesamten Erstellung des Verzeichnisses aktiv teilzunehmen. Es würde dem Zweck eines solchen Verzeichnisses widersprechen, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Recht hätte, an jeder einzelnen Ermittlungshandlung anwesend zu sein. Eine objektive und zügige Übersicht könne auf diesem Wege nicht erstellt werden. Das Nachlassverzeichnis werde über eine öffentliche Zeugnisurkunde erstellt und sei keine Beurkundung im engeren Sinne, weshalb eine persönliche Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten nicht erforderlich sei. Darüber hinaus habe der Pflichtteilsberechtigte auch keinen generellen Anspruch auf Einsichtnahme in die beim Notar vorliegenden Unterlagen oder Kontoauszüge des Erblassers.
Hinweis: Der Pflichtteilsberechtigte kann die Vorlage von Belegen allenfalls verlangen, wenn dies ausdrücklich gerichtlich angeordnet ist.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 03.12.2024 - 33 W 1034/24 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Da Unwissenheit bekanntlich nicht vor Strafe schützt - in diesem Fall in Form einer entgangenen Erbschaft -, sollten sich alle potenziellen Erben diesen Fall gut merken. Eine Erbschaftsausschlagung bedarf einer öffentlichen Beglaubigung. Wie es sich mit der Anfechtung einer solchen bereits erfolgten Erbschaftsausschlagung verhält, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) in einem Beschluss nochmals klarstellen.
Der geschiedene Erblasser hinterließ einen Sohn, der aufgrund eines vermeintlich überschuldeten Nachlasses zunächst sowohl form- und fristgerecht als auch wirksam die Erbschaft für sich und seine Kinder ausgeschlossen hat. Im Zuge der Nachlassabwicklung erhielt der Sohn über den Nachlasspfleger davon Kenntnis, dass der Nachlass doch werthaltig sei, weshalb der Sohn über seinen Anwalt eine Anfechtung der Ausschlagungserklärung wegen eines Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Nachlassgericht übermitteln ließ. Die erteilte Vollmacht reichte der bevollmächtigte Rechtsanwalt in öffentlich beglaubigter Form im Original nach. Das Nachlassgericht war jedoch der Ansicht, dass die Anfechtungserklärung nicht den gesetzlichen Formvorschriften entsprach und daher unwirksam sei.
Dieser Ansicht schloss sich auch das OLG an. Für die Anfechtung einer bereits erfolgten Erbschaftsausschlagung gelten die gleichen Formvorschriften wie für die ursprüngliche Ausschlagungserklärung. Sie verlangen, dass die Erklärung selbst entweder zur Niederschrift beim Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form erfolge. Die Einreichung einer Anfechtungserklärung über das beA genüge diesen Anforderungen nicht, weil hierdurch eine öffentliche Beglaubigung nicht ersetzt werde. Da die Anfechtung unwirksam war, blieb es bei der ursprünglich erklärten Erbschaftsausschlagung - der Sohn wurde nicht Erbe nach seinem verstorbenen Vater.
Hinweis: Erfolgt die elektronische Übermittlung einer solchen Erklärung hingegen durch einen Notar, kann diese nach den Regelungen des Beurkundungsgesetzes formwirksam sein.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.01.2025 - 21 W 123/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Das Gesetz sieht vor, dass in einem Erbscheinsverfahren das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen kann. Es kann dabei auch einem Beteiligten die Verfahrenskosten vollständig auferlegen, wenn er zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat. Diese gesetzliche Regelung war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).
Eine Miterbin hatte beim Nachlassgericht nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Sie stützte ihren Antrag auf ein vermeintlich eigenhändig geschriebenes Testament der Erblasserin. Die gesetzlichen Erben setzten sich gegen diesen Antrag im Ergebnis erfolgreich zur Wehr. Tatsächlich hatte die Miterbin den Text des Testaments selbst verfasst, während die Erblasserin nur ihre Unterschrift darunter geleistet hatte. Dennoch hatte die Antragstellerin an Eides statt versichert, dass die Erblasserin das Testament selbst geschrieben habe. Nachdem das Amtsgericht zunächst noch entschieden hatte, dass die Antragstellerin nicht die Kosten der übrigen Verfahrensbeteiligten zu tragen habe, war die hiergegen eingelegte Beschwerde erfolgreich.
Das OLG stellte fest, dass die Antragstellerin gewusst habe, dass die Erblasserin den Text nicht selbst verfasst hatte. Hätte sie von Anfang an die Wahrheit gesagt, wäre ihr Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen worden. Die dann in der Folge entstandenen Anwaltskosten der übrigen Verfahrensbeteiligten wären somit auch nicht entstanden. Nun aber musste die Antragstellerin auch deren Anwaltskosten tragen.
Hinweis: Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung stellt eine Straftat dar, weshalb der Vorgang nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben wird.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 09.01.2025 - 6 W 156/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Das Gesetz geht davon aus, dass Personen ab dem 16. Lebensjahr grundsätzlich testierfähig sind. Wer aber aufgrund einer krankheitsbedingten Störung der Geistestätigkeit nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen, kann kein wirksames Testament errichten. Besteht ein Streit darüber, ob ein Erblasser testierfähig war, muss dies unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen aufgeklärt werden - und zwar konsequent, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) darlegt.
Die unverheiratet und kinderlos verstorbene Erblasserin hatte ein eigenhändiges Testament errichtet und die Tochter eines Cousins als Alleinerbin eingesetzt. Da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments bereits unter Betreuung stand, lehnte das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag unter Bezugnahme auf Unterlagen aus dem Betreuungsverfahren jedoch ab. Es könne davon auszugehen sein, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments nicht testierfähig war. Aufgrund der schon hiergegen eingelegten Beschwerde zum OLG veranlasste das Nachlassgericht die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass auf der ersten Beurteilungsebene wegen einer nicht näher bezeichneten Demenz der Erblasserin eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit bejaht werden könne. Auf der zweiten Beurteilungsebene hinsichtlich des Einflusses der Störung auf die Testierfähigkeit könne jedoch keine abschließende psychiatrische Beurteilung erfolgen, da es sich widersprechende schriftliche Angaben der privaten Kontaktpersonen gegeben habe. Daraufhin veranlasste das Nachlassgericht die mündliche Anhörung von vier Nachbarn der Erblasserin. Der Sachverständige wurde zu dieser Anhörung jedoch nicht hinzugezogen. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag daraufhin erneut zurück.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum OLG war erfolgreich. Dieses wies darauf hin, dass das Nachlassgericht den Sachverständigen zur Befragung der Zeugen hätte hinzuziehen müssen, um eine fundierte Einschätzung der Testierfähigkeit vornehmen zu können. Dem Sachverständigen hätte damit die Gelegenheit gegeben werden müssen, selbst Fragen an die Zeugen zu richten. Dem Nachlassgericht selbst fehle die Sachkunde, ohne sachverständige Hilfe die Testierfähigkeit eines Erblassers allein aufgrund von ihm eingeholter Zeugenaussagen festzustellen. Das Verfahren wurde an das Nachlassgericht zurückgegeben.
Hinweis: Steht die Frage der Testierfähigkeit im Raum, ist nicht der Rechtspfleger für die Befragung von Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zuständig; vielmehr ist das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 18.12.2024 - 33 Wx 153/24 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen (OLG) musste im Folgenden die Frage beantworten, ob eine Vollmacht, die auch nach dem Tod des Erblassers zur Vertretung des Vorerben gelten sollte, auch zur Vertretung von Nacherben berechtigt. Anlass gab hierzu eine abgelehnte Löschung eine Nacherbenvermerks.
Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin eines Grundstücks und als befreite Vorerbin im Grundbuch eingetragen. Zudem war im Grundbuch vermerkt, dass eine Nacherbfolge angeordnet war. Der Erblasser hatte zwei Personen durch notarielle Urkunde eine Generalvollmacht erteilt, die auch über den Tod des Erblassers hinaus Bestand haben sollte. Die Bevollmächtigten sollten befugt sein, jede Rechtshandlung, die der Erblasser auch selbst vornehmen könnte, an seiner statt mit derselben Wirkung vorzunehmen. Die Eigentümerin beantragte schließlich gemeinsam mit eben jenen Bevollmächtigten in notariell beglaubigter Form die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch. Das Amtsgericht wies diesen Antrag mit dem Hinweis zurück, dass bereits bekannte Nacherben angehört werden müssten. Gegen diese Entscheidung legte die Eigentümerin Beschwerde ein und argumentierte damit, dass eine Anhörung nicht notwendig sei, weil die Bevollmächtigten die Löschung auch im Namen der Nacherben abgegeben hätten.
Dieser Ansicht schloss sich auch das OLG im Ergebnis an. Die Vollmacht enthielt eine ausdrückliche Regelung, dass sie auch nach dem Tod des Erblassers gelten solle. Der Erblasser hatte dem Bevollmächtigten damit die Möglichkeit gegeben, jede Rechtshandlung vorzunehmen, die auch der Erblasser hätte vornehmen können. Daraus schloss das Gericht, dass die Bevollmächtigten auch in der Lage waren, den Nacherbenvermerk löschen zu lassen.
Hinweis: Erweist sich eine Verfügung des Bevollmächtigten für den Nacherben als nachteilig, können sich hieraus Ansprüche des Nacherben gegen den Bevollmächtigten ergeben. Die Gültigkeit der Verfügung ist davon aber nicht betroffen.
Quelle: Hanseatisches OLG in Bremen, Beschl. v. 19.12.2024 - 3 W 26/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Betreuungsrecht: Keine persönliche Anhörung ohne Anwesenheit des Verfahrenspflegers
- Kindliche Gewalterfahrung: Umgangsausschluss kann nach häuslicher Gewalt verlängert werden
- Sorgerechtsverfahren: Sorgfältige Ermittlung und Beschlussbegründung auch bei elterlicher Zustimmung unabdingbar
- Umgangsrecht: Gericht muss Abänderungsbedarf in Kindschaftssachen stets prüfen
- Zugewinnausgleich: Ausschluss von Auskunftsverpflichtung nur bei Positionen, die die Berechnung nicht beeinflussen
Im Jahr 2023 wurde dem Betreuungsrecht der § 319 Abs. 2 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hinzugefügt. Dieser schreibt vor, dass ein hinzugezogener Verfahrenspfleger generell an der persönlichen Anhörung eines Betroffenen teilnehmen muss - es sei denn, seine Entbehrlichkeit ist gut begründet. Unter diesen Prämissen musste das Landgericht Lübeck (LG) einen vom Amtsgericht Oldenburg (AG) gefassten Beschluss prüfen; dabei ging es immerhin um das hohe Grundrecht auf Freiheit der betreffenden Person.
Am 28.07.2023 wurde beantragt, einen Betroffenen vorläufig freiheitsentziehend unterzubringen. Eine aktuelle Stellungnahme der Amtsärztin wurde dem Antrag beigefügt. Als der Betroffene in Anwesenheit des diensthabenden Arztes am Abend des 28.07.2023 dazu persönlich angehört wurde, nahm die über diesen Termin informierte Verfahrenspflegerin nicht persönlich daran teil. Nachdem der diensthabende Arzt ein ärztliches Zeugnis abgegeben hatte, ordnete das AG schließlich die vorläufige Unterbringung des Betroffenen längstens bis zum 04.08.2023 an. Dieser legte unmittelbar im Anschluss an die mündliche Bekanntgabe des Beschlusses Beschwerde zum richterlichen Protokoll ein - erfolgreich.
Denn in Augen des LG war der Beschluss des AG rechtswidrig und hat den Betroffenen in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt. Dem Beschluss lag schlichtweg ein Verfahrensfehler zugrunde. Denn die persönliche Anhörung des Betroffenen ist ohne Anwesenheit eines Verfahrenspflegers erfolgt, was dem Inhalt des § 319 Abs. 2 Satz 2 FamFG widerspricht. Diese im Zuge der Betreuungsrechtsreform zum 01.01.2023 in Kraft getretene Norm ist so zu verstehen, dass der Verfahrenspfleger in der Regel an der Anhörung teilnehmen muss. Er hat nicht die Wahl, ob er teilnehmen möchte oder nicht. Nimmt ein Verfahrenspfleger dennoch nicht teil, dann muss dessen Entbehrlichkeit begründet werden. Und ebendies war hier nicht geschehen.
Hinweis: Eine freiheitsentziehende Unterbringung ist eine extrem einschränkende Maßnahme. Genau deshalb müssen hierbei alle Schutzfaktoren für die Betroffenen ausgeschöpft werden. Dazu gehört eben auch die Teilnahme des Verfahrenspflegers.
Quelle: LG Lübeck, Beschl. v. 19.12.2024 - 7 T 324/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Um Menschen durch Gewalterfahrungen nachhaltig zu prägen, muss sich die Gewalt nicht direkt gegen sie wenden. Das zeigt sich oft genug an häuslicher Gewalt, der Kinder beizuwohnen gezwungen sind. Erlebt ein Kind, wie der eine Elternteil gegen den anderen Gewalt ausübt, ist das bei der Entscheidung zum Umgangsrecht stets zu berücksichtigen. Dass ein bereits getroffener Umgangsausschluss in der zweiten Instanz sogar noch verlängert werden kann, zeigt dieser Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken (OLG).
Ein Paar hat gemeinsam einen elfjährigen Sohn. Am 24.03.2023 wurde der Vater wegen Körperverletzung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Bedrohung sowie Beleidigung und versuchter Nötigung zum Nachteil der Mutter, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Dies bedeutete, dass er auf freiem Fuß bleibt. Deshalb verpflichteten sich die Eltern in einem Gewaltschutzeilverfahren am 14.06.2023 wechselseitig zur Einhaltung eines umfassenden Kontakt- und Näherungsverbots. Der Mutter wurde zudem das umfassende Sorgerecht übertragen. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein, die verworfen wurde. Stattdessen wurde ihm zusätzlich untersagt, bis zum 27.03.2025 mit seinem Sohn in Kontakt zu treten. Daraufhin legte der Vater erneut Beschwerde ein. Er verlangte eine gestufte Umgangsregelung.
Damit scheiterte er jedoch vor dem OLG. Zwar muss das Gericht in Umgangssachen verhältnismäßig entscheiden, also mildere Mittel als den Umgangsausschluss prüfen, wie beispielsweise einen begleiteten Umgang. Hat aber der eine Elternteil Gewalt gegen den anderen ausgeübt, hat das Kind besondere Belastungen zu tragen. Diese sind schon wegen des Art. 31 der "Istanbul-Konvention" (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt v. 11.05.2011) zu berücksichtigen. Erlebt ein Kind Gewalt eines Elternteils gegen den anderen, wirkt dies auf das Kind wie ausgeübte psychische Gewalt. Kinder sind von ihren Elternteilen abhängig und identifizieren sich mit ihnen. Im Fall von Gewalt gegen die Eltern erlebt ein Kind folglich ungeahnte Verlust- und Existenzängste.
Hinweis: Bevor in Fällen vom Kind miterlebter schwerer häuslicher Gewalt Umgang wieder in Betracht kommt - unbegleitet, aber auch begleitet -, muss zum einen das Kind dazu bereit sein, sich wieder auf den Täter einlassen zu können. Zum anderen muss geklärt sein, dass der Täter sich dem Kind adäquat nähern und ihm gegenüber Bedauern über seine Taten vermitteln kann.
Quelle: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.12.2024 - 6 UF 64/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Sind Eltern nicht in der Lage, adäquat für ihr Kind zu sorgen, kann das Kind von den Eltern getrennt werden. Ob die Voraussetzungen für die Trennung vorliegen, muss das Gericht im Wege der Amtsermittlung nicht nur feststellen, sondern in seinem entsprechenden Beschluss auch sorgfältig begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die Eltern der Trennung zustimmen - so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Einem Paar mit zwei Kindern wurde das Sorgerecht für sein älteres Kind durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts (AG) entzogen und ein Amtsvormund bestellt. Das Kind kam in eine Dauerpflegestelle. Die Mutter nahm die monatlich vorgesehenen begleiteten Umgänge nur einmal wahr. Dann wurde das zweite Kind in eine Bereitschaftspflegefamilie gebracht. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Anhörung der Kindeseltern, des Verfahrensbeistands und des Jugendamts wurde den Eltern entsprechend der Empfehlung des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin auch das Sorgerecht für das zweite Kind entzogen. Die elterliche Sorge wurde sodann auf das Jugendamt als Amtsvormund übertragen. Die Eltern stimmten dem zu. Die Mutter widerrief dann jedoch ihre Zustimmung und erklärte mit ihrer Beschwerde, dass sie mit dem Entzug der elterlichen Sorge doch nicht einverstanden sei.
Daraufhin hob das OLG den Beschluss des AG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Denn das vor dem AG durchgeführte Verfahren litt an einem schweren Verfahrensmangel. Es hatte seine Entscheidung mit Zustimmung aller Beteiligter auf §§ 1666, 1666a Bürgerliches Gesetzbuch gestützt. Aus dem getroffenen Beschluss hätte daher auch hervorgehen müssen, dass eben diese Voraussetzungen der Normen gerichtlich geprüft wurden. Dies war dem Beschluss aber nicht zu entnehmen. Das Gericht hatte sich zudem keinen unmittelbaren Eindruck von dem betroffenen Kind verschafft. Von der Anhörung eines Kindes kann zwar abgesehen werden - dies muss das Gericht dann jedoch auch begründen. Selbst wenn das Kind noch nicht angehört werden kann, weil es zum Beispiel noch nicht spricht, hätte das Gericht sich einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Das AG wird sich daher noch einmal der Sache annehmen müssen.
Hinweis: Der Entzug des Sorgerechts ist ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte aller Beteiligten. Aus diesem Grund müssen vom entziehenden Gericht auch eine sorgfältige Ermittlung und eine saubere Begründung der daraus resultierenden Entscheidung gefordert werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.01.2025 - 6 UF 239/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)
Getroffenen Umgangsregelungen zu widersprechen, taugt im Familienrecht oft als "Störfeuer" gegen das Familienleben des aktuell sorgeberechtigten Elternteils. Daher können Gerichte ein Änderungsverfahren auch ohne Prüfung ablehnen, sobald es an begründenden Anhaltspunkten fehlt. Derlei Anhaltspunkte lagen nach Ansicht eines Kindsvaters im folgenden Fall jedoch eindeutig vor, und das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) sah dies genauso.
Die Eltern einer 2016 geborenen Tochter leben seit Juni 2019 getrennt. Den Umgang haben die Eltern mit einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung vom 12.08.2020 (Regelumgang) und mit gerichtlich gebilligtem Teilvergleich vom 18.11.2021 (Ferienumgang) geregelt. Der Vater begehrte Ende 2021 die Einrichtung eines Wechselmodells, am 07.03.2022 einigte man sich aber darauf, dass es bei den bisherigen Regelungen verbleiben soll. Am 26.09.2024 beantragte der Vater aber dann doch die Abänderung der Vereinbarungen. Dies hat das Amtsgericht (AG) ohne Beteiligung der Antragsgegnerin, des Kindes und des Jugendamts abgelehnt - es wurde kein Abänderungsverfahren eingeleitet. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein, und zwar mit Erfolg.
Laut Beschluss des OLG hätte das AG die Voraussetzungen für eine Abänderung der Umgangsregelungen im Rahmen eines einzuleitenden Hauptsacheverfahrens prüfen müssen. Zwar entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Änderungsverfahren eingeleitet wird, und kann dessen Einleiten mangels Anhaltspunkten für eine Änderung ablehnen. In diesem Fall hatte der Vater aber konkrete Verstöße der Kindsmutter gegen die bisherige Umgangsregelung vorgetragen. Zudem war diese Umgangsregelung auch schon zwei Jahre alt - allein schon deswegen hätte eine nähere Sachprüfung stattfinden müssen. Das Verfahren wurde vom OLG daher nochmal an das AG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Hinweis: Möchten Sie die Abänderung einer Umgangsregelung durchsetzen, dann tragen Sie Ihren Änderungsbedarf und Ihre Beweggründe so konkret wie möglich vor. Warum soll die Umgangsregelung geändert werden? Worin liegt der Unterschied zur Interessenlage zum Regelungszeitpunkt? Können Sie das darlegen, ist das Gericht gezwungen, diesen Bedarf auch zu überprüfen.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 23.12.2024 - 2 UF 218/24
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(aus: Ausgabe 03/2025)
Durch notariellen Ehevertrag können Vermögenspositionen im Scheidungsfall von der Zugewinnberechnung ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss kann sich auch auf sogenannte "Surrogate" beziehen, auf Ersatz- oder Äquivalenzanschaffungen, die ausschließlich aus dem Veräußerungserlös der benannten Vermögenspositionen finanziert wurden. Wie konkret sich das auf die Auskunftspflicht auswirkt, zeigt dieser Fall des Oberlandesgerichts München (OLG).
Durch einen notariellen Ehevertrag vom 27.04.2017 hatte ein Ehepaar, das 2003 geheiratet hatte, vereinbart, dass ein Zugewinnausgleich hinsichtlich der "jetzigen und künftigen" Gesellschaftsanteile des Ehemanns an einer GmbH und einer UG nicht stattfinden solle. Ebenso wurden sogenannte Surrogate für die vorgenannten Vermögensgegenstände vom Zugewinnausgleich ausgenommen. Auf Verlangen eines Ehegatten sei allerdings ein Verzeichnis der vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögensgegenstände einschließlich aller darauf bezogenen Veränderungen aufzustellen und fortlaufend fortzuführen.
Am 28.08.2021 ging der Frau der Scheidungsantrag zu. Die besagten Gesellschaftsanteile hatte der Mann bereits im Jahr 2019 veräußert, davon Darlehensverbindlichkeiten getilgt und in zwei Eigentumswohnungen sowie in Geldanlagen investiert. Dies erwähnte er aber nicht in der Auskunft zum Endvermögen bzw. zum Vermögen zum Trennungszeitpunkt. Die Ehefrau hielt diese Auskunft daher für unvollständig. Ihr Mann hätte auch Auskunft über die Surrogate aus dem Verkauf der Anteile an der GmbH geben müssen. Dieser sah das anders: Er müsse gar keine Auskunft erteilen, da die Ehefrau in der intakten Ehezeit nicht von ihm verlangt habe, das Verzeichnis der ausgenommenen Gegenstände und über deren Surrogate zu führen. Im Nachhinein können sie das nun nicht mehr einfordern.
Diese Argumentation teilte das OLG hingegen nicht. Da ein Antrag auf Ehescheidung vorliegt, sind die Ehegatten berechtigt, wechselseitig Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung zu verlangen. Diese Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Umstände, die für die Berechnung der Vermögensmassen relevant sind, also grundsätzlich auch auf die mittlerweile veräußerten Gesellschaftsanteile des Ehemanns und deren Surrogate.
Hinweis: Eine Auskunftsverpflichtung besteht nur dann nicht, wenn die einzelne Position unzweifelhaft keinen Einfluss auf die Berechnung des Zugewinns haben kann. Eine derart umfassende Auskunft hat der Ehemann hier über die Gesellschaftsanteile und deren Surrogate allerdings nicht erteilt.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.01.2025 - 16 UF 577/24 e
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 03/2025)