Rechtsnews
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Zum Thema Erbrecht
- Anspruch von Nacherben: Wie wird der Streitwert einer Auskunftsklage ermittelt?
- Bargeldlose Zahlungszeiten: Barvermögen ist das, was man kurzfristig in Bargeld umwandeln oder stattdessen nutzen kann
- Mindestvoraussetzungen erfüllt: Eigenhändige Abfassung und Unterschrift machen aus Kneipenblock ein gültiges Testament
- Späteres Testament: Wenn die Verfügung von Todes wegen nur zum "vorletzten Willen" wird
- Stellung und Einfluss missbraucht: Testament zugunsten der Berufsbetreuerin eindeutig sittenwidrig
Rechtsstreitigkeiten im Erbrecht sind häufig teuer, weshalb die Frage nach der Höhe eines Streitwerts als Grundlage der Kostenbemessung von großer Bedeutung ist. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg ging es um den Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.
Der Erblasser hatte zusammen mit seiner Ehefrau ein notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und die drei Kinder zu Nacherben zu je 1/3 eingesetzt haben. Nach dem Tod des Erblassers nahm ein Sohn die Mutter auf Auskunft über die zum Nachlass gehörenden Erbschaftsgegenstände in Anspruch. Mit Beendigung des Rechtsstreits setzte das zuständige Landgericht (LG) auf Basis der Angaben in der Klageschrift den Streitwert auf 20.000 EUR fest. Gegen diese Wertfestsetzung wandte sich die Mutter mit der Begründung, dass der Streitwert einer Auskunftsklage mit 1/10 des Nachlasswerts zu bewerten und darüber hinaus auch die Erbquote des Klägers von 1/3 bezogen auf den Nachlass zu berücksichtigen sei. Dies führe zu einem Streitwert zwischen 5.450 EUR und 13.645 EUR. Das LG hat den Streitwert in der Folge auf 24.526 EUR festgesetzt und dies damit begründet, der Betrag entspreche 15 % des gesamten Nachlasswerts. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter und Vorerbin war im Ergebnis erfolglos.
Im Rahmen einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben bemisst sich der Gebührenstreitwert nach dem wirtschaftlichen Interesse des Nacherben an der begehrten Auskunft. Dieser bestimmt sich in der Regel nach einem Bruchteil des Nachlasswerts zwischen 1/10 und 1/4 der Hauptforderung. Die Erbquote des Nacherben sei nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Der Auskunftsanspruch dient dem berechtigten Interesse des Nacherben, Kenntnis über alle zur Erbschaft gehörende Gegenstände zu erhalten, um auch prüfen zu können, ob gegebenenfalls weitere Informations-, Kontroll- oder Sicherungsrechte bestehen. Diese Rechte können auch im Fall einer aus mehreren Nacherben bestehenden Erbengemeinschaft von jedem einzelnen Erben allein geltend gemacht werden, weshalb die Ansprüche im Regelfall den gesamten Nachlass umfassen. Daher sei die Bemessung des Streitwerts anhand eines Bruchteils von 15 % bezogen auf den gesamten Nachlass nicht zu beanstanden.
Hinweis: Bei einer Auskunftsklage eines Pflichtteilsberechtigten wird bezüglich des Streitwerts auf den Bruchteil des späteren Leistungsanspruchs abgestellt, weshalb die Bestimmung der Pflichtteilsquote dort maßgebliches Kriterium ist.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.01.2024 - 3 W 113/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) stritten die Parteien um die Erfüllung eines Vermächtnisses. Die Kernfrage war hierbei, was in den heutigen Zeiten eigentlich unter dem Begriff "Barvermögen" zu verstehen sei. Das, was wir in den Hosen- und Handtaschen bereits mit uns herumtragen, oder auch das, was wir kurzfristig dahin verfrachten könnten? Lesen Sie hier die Antwort.
Der Erblasser hatte in einem notariellen Testament seine Kinder zu Erben eingesetzt, nachdem er bereits eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf eine Tochter übertragen hatte. Zudem hatte der Erblasser die Erben mit einem Vermächtnis zugunsten der Tochter beschwert, dass bei Eintritt des Erbfalls das vorhandene Barvermögen zu 1/3 Anteil an die Tochter ausgezahlt werden solle. Zum Zeitpunkt des Erbfalls verfügte der Erblasser über ein Kontovermögen in Höhe von etwa 152.000 EUR, Genossenschaftsanteile im Wert von 3.000 EUR, ein Depotvermögen über etwa 34.000 EUR sowie ein Barvermögen in Höhe von etwa 2.000 EUR. Die Tochter war der Ansicht, dass unter dem Begriff "Barvermögen" alle liquiden Mittel zu verstehen seien - insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld. Die Erben hingegen waren der Ansicht, dass mit Barvermögen lediglich das vorhandene Bargeld gemeint sein könnte.
Nach Ansicht des OLG ist unter dem Begriff des Barvermögens in Zeiten des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs das Bargeld im engeren Sinne genauso zu verstehen, wie es beispielsweise bei Banken sofort verfügbar ist. Der Begriff des Bargelds umfasse heutzutage das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist - also auch über eine Kartenzahlung. Dies gelte aber nicht für Wertpapiere. Insofern hatte die Klägerin Anspruch auf eine anteilige Zahlung aus dem Kontovermögen sowie dem aufgefundenen Bargeld.
Hinweis: Das Gericht kam durch eine Auslegung des Testaments zu dem vorgenannten Ergebnis. Lang andauernde Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Unwägbarkeiten bei der Auslegung von Verfügungen können dadurch vermieden werden, dass die Parteien einen Auslegungsvertrag abschließen.
Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 20.12.2023 - 3 U 8/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Ein Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Allein der Umstand, dass sich das Testament auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um ein Testament handeln könne. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) festgestellt.
Der Erblasser, der 2022 ledig und kinderlos verstarb, betrieb unter anderem eine Gastronomie und legte dort seiner Lebensgefährtin einen Brauereizettel vor, auf dem er überlicherweise Gastronomiebestellungen notierte. Dort hieß es nun aber, dass die Lebensgefährtin "alles kriegt". Darunter folgten Datum und Unterschrift des Erblassers. Die gesetzlichen Erben - Kinder der vorverstorbenen Schwester des Erblassers - waren nun der Ansicht, dass es sich nicht um ein Testament handele, da nicht erkennbar sei, dass der Zettel mit dem Willen, ein Testament zu errichten, verfasst worden sei. Außerdem hatten sie Zweifel daran, dass der Text von dem Erblasser selbst erstellt war. Das Nachlassgericht hatte zunächst noch die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Lebensgefährtin abgelehnt, da nicht sicher festgestellt werden könne, dass das Schriftstück mit Testierwillen errichtet worden sei.
Dieser Einschätzung hat sich das OLG nach Durchführung einer Beweisaufnahme nicht angeschlossen. Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass die Mindestvoraussetzungen für ein wirksames Testament - die eigenhändige Abfassung und die Unterschrift - erfüllt waren. Hinweise darauf, dass das Schriftstück von einer anderen Person erstellt worden sei, konnte das OLG nicht feststellen. Darüber hinaus war nach Einschätzung des Gerichts das Schriftstück auch mit einem entsprechenden Testierwillen errichtet worden. Allein der Umstand, dass das formgültige Schriftstück auf einer ungewöhnlichen Unterlage errichtet wurde, bedeutet nicht zwingend, dass es sich lediglich um einen Entwurf gehandelt hat. So konnte eben auch durch eine Zeugenaussage belegt werden, dass der Erblasser auch bekundet hatte, dass seine Lebensgefährtin Erbin werden sollte. Der Erbschein zugunsten der Lebensgefährtin war zu erteilen.
Hinweis: Zum Zweck der besseren Auffindbarkeit im Erbfall kann auch ein eigenhändiges Testament in die amtliche Verwahrung gegeben werden. Zuständig für die Verwahrung sind die Amtsgerichte.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 W 96/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Ein Testament kann dadurch aufgehoben werden, dass ein Erblasser eine neue Verfügung von Todes wegen aufsetzt, die zu dem früheren Testament in einem Widerspruch steht. So war es auch der Fall bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).
Die ledige und kinderlose Erblasserin hatte insgesamt vier handschriftliche Testamente errichtet. Zwei Geschwister, eine Schwester und ein Bruder der Erblasserin, waren bereits verstorben. Eine Großnichte der Erblasserin war der Ansicht, aufgrund eines der Testamente zur Ersatzerbin nach der verstorbenen Schwester der Erblasserin benannt worden zu sein. Sie berief sich hierbei auf ein Testament aus dem Jahr 2009, in dem die Erblasserin verfügte, dass für den Fall, dass die Schwester versterben sollte, sie ihre Großnichte zur Nacherbin einsetzt. Im April 2016 errichtete die Erblasserin dann ein letztes Testament, in dem sie an der Erbeinsetzung ihrer damals noch lebenden Schwester zwar nichts änderte, eine Ersatzerbeneinsetzung aber nicht mehr vornahm.
Das OLG schloss sich der Ansicht des Nachlassgerichts an, dass durch diese letzte Errichtung des Testaments und durch das Vorversterben der Schwester die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Steht das zeitlich nachfolgende Testament in einem Widerspruch zu einem früheren Testament, wird dieses frühere Testament aufgehoben. Ein solcher Widerspruch liegt nicht nur vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar sind - sich also gegenseitig ausschließen -, sondern auch dann, wenn die Anordnungen in ihrer Gesamtheit den späteren Absichten eines Erblassers entgegenstehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt abschließend und umfassend regelt. Von diesem letztgenannten Fall ist das OLG ausgegangen. In dem Testament aus dem Jahr 2016 hatte die Erblasserin die Erbeinsetzung ihrer Schwester lediglich wiederholt, die Benennung eines Ersatzerben aber unterlassen. Hätte sie eine erneute Ersatzerbeneinsetzung vornehmen wollen, hätte es dieser neuen letztwilligen Verfügung nicht bedurft. Aus diesem Grund ging das Gericht davon aus, dass die Erblasserin ihre Erbfolge im Jahr 2016 grundsätzlich neu regeln wollte. Hierdurch ist aufgrund des Vorversterbens der Schwester und des Tods der Erblasserin die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Erbscheinsantrag der Großnichte wurde zurückgewiesen.
Hinweis: In einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins gehen verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich trotz Widerspruchs zwischen dem früheren und dem späteren Testament auf das frühere Testament beruft.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2023 - 3 Wx 189/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach Wertung des Gesetzes nichtig. Dies kann auch im Fall eines notariell beurkundeten Testaments der Fall sein, wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgestellt hat.
Die 92 Jahre alte Erblasserin war schwer erkrankt und alleinstehend, als die einzige Tochter, die sich um die Erblasserin gekümmert hatte, im September 2022 verstarb. Die Erblasserin selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus, auf dessen Anregung hin eine Betreuung für die Erblasserin eingerichtet wurde. Bereits zwei Wochen nach der Einrichtung der Betreuung beauftragte die Betreuerin einen Notar mit der Beurkundung eines notariellen Testaments, in dem sie von der Erblasserin zur alleinigen Erbin eingesetzt wurde. In dem Testament hieß es, die Erbeinsetzung der Betreuerin folge aus Dankbarkeit für die Pflege. Wenige Tage nach Verlassen des Krankenhauses - die Betreuerin hatte die Erblasserin kurzzeitig bei sich zu Hause aufgenommen - verstarb die alte Dame. Das Nachlassgericht verweigerte die Erteilung eines Erbscheins mit der Begründung, das Testament sei sittenwidrig.
Dieser Einschätzung schloss sich auch das OLG an. Die Umstände, unter denen es zu der Errichtung des Testaments gekommen war, führten nach Einschätzung des Gerichts zur Sittenwidrigkeit. Das OLG nahm hierbei an, dass die Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf die alte, kranke und alleinstehende Erblasserin dazu benutzt hat, gezielt auf diese leicht beeinflussbare Person einzuwirken, um sie dazu zu bewegen, eine derartige Verfügung zu treffen.
Hinweis: Das OLG hat in dem Erbscheinsverfahren letztinstanzlich entschieden. In einem solchen Fall bleibt der Antragstellerin noch der Weg offen, eine sogenannte Erbenfeststellungsklage zu erheben.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 11.01.2024 - 6 W 175/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Zum Thema Familienrecht
- Entlastung der Mutter: Piloten wird trotz unflexibler Freizeitregelung durch Arbeitgeber vermehrter Kindesumgang zugemutet
- Lebenslanger Unterhalt: 14-jährige Ehedauer erzeugt auch im Alter nacheheliche Verantwortung
- Mehr als 1.600 EUR: Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen
- Unwissenheit schützt nicht: Unterhaltsschulden können lange vollstreckt werden
- Volljährige Tochter: Kein Unterhalt, wenn zweite Ausbildung Resultat einer beruflichen Umorientierung ist
Während in Umgangsverfahren meist der eine Elternteil weniger Umgang der Kinder mit dem anderen verlangt, verklagte vor dem Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) eine Mutter den Vater des gemeinsamen Kindes darauf, dass er sich mehr um seine Kinder kümmern solle. Das OLG musste nun sehen, ob und wie ein umfangreicherer Umgang im Interesse aller - vor allem aber naturgemäß dem der Kinder - möglich ist. Das Amtsgericht Fürth (AG) legte dabei vor.
Der Vater war Pilot mit einer Vollzeitstelle, die Mutter Flugbegleiterin mit einer 2/3-Stelle. Wegen der flexiblen Arbeitszeiten beider wurde im notariellen Scheidungsfolgenvertrag nur vermerkt, dass der Vater "nach Absprache" 1/3 der Betreuungszeiten übernehmen solle. Beide Elternhäuser waren in Fürth, die Kinder konnten vom Vater aus sogar morgens zur Schule gehen. Für die Mutter zeigte sich die Flexibilität jedoch zunehmend als unpraktikabel, da die Absprachen nicht mehr funktionieren würden - sie beantragte daher sechs Jahre später beim Familiengericht, dass die Kinder 14-tägig im Zeitraum von Donnerstag nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn und zudem an zwei Tagen nach flexibler Absprache beim Vater sein sollen. Der Vater argumentierte damit, dass er im Gegensatz zur teilzeitarbeitenden Mutter in Vollzeit arbeite. Deshalb sei es ihr zuzumuten, dass sie sich voll und ganz nach seinen Bedürfnissen richte, die keine feste Regelung zuließen. Er könne lediglich einmal im Monat drei zusammenhängende Tage freinehmen. Mehr - zweimal im Monat fünf Tage am Stück - habe der Arbeitgeber abgelehnt. Eine Fremdbetreuung der Kinder während der Umgangszeiten sei in den Augen des Vaters widersinnig.
Das AG hatte den Umgang mit dem Vater daraufhin derart geregelt, dass dieser 14-tägig donnerstags nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn stattfindet. In der anschließenden Anhörung vor dem OLG erzählten die Kinder, dass die Umgangswochenenden seit dem amtsgerichtlichen Beschluss auch so durchgeführt worden seien. Zwar sei ihr Vater dann nicht immer durchgehend zu Hause, dies sei jedoch unproblematisch. Sie hätten ein gutes Verhältnis zur Stiefmutter und zu deren Tochter.
Daher bestätigte das OLG die Entscheidung des AG und stellte darauf ab, dass Umgangskontakte nicht nur die Funktion haben, die Vater-Kind-Bindung zu fördern, sondern auch, die berufstätige Mutter zu entlasten und die tatsächliche Betreuung der Kinder in einem zu bestimmenden Umfang aufzuteilen. Auch die Mutter müsse ja gelegentlich Fremdbetreuung in Anspruch nehmen und diese organisieren. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Kinder sich im väterlichen Haushalt auch dann wohlfühlten, wenn dieser gar nicht zuhause war.
Hinweis: Wenn ein Gericht den Umgang regelt, muss der Beschluss auch vollstreckbar sein. Deshalb kann es flexible Lösungen nur geben, wenn die Eltern sich darüber einig sind.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.01.2024 - 9 UF 744/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Eine Folge der Eheschließung und des ehelichen Zusammenlebens ist die begründete Mitverantwortung, die der leistungsfähige Ehepartner gegenüber dem Unterhaltsbedürftigen trägt. Dieser Mitverantwortung kann man sich im Sinne der nachehelichen Solidarität nicht entziehen. Daher erging es der bessergestellten Frau im folgenden Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm (OLG) nicht anders als vielen Männern zuvor.
Als die Eheleute 2007 heirateten, waren beide schon über 50 Jahre alt. Sie war Beamtin, er selbständig und ab 2013 insolvent, so dass die Frau bei der Scheidung 2023 durch den Versorgungsausgleich einen Teil ihrer Pension an den Mann verlor. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Eheleute schon in Pension bzw. in Rente. Nun begehrte der Mann zusätzlich einen lebenslangen Unterhalt von rund 1.300 EUR monatlich. Das Familiengericht Olpe lehnte diesen Antrag ab: Der Mann habe bereits durch den Versorgungsausgleich alle ehebedingten Nachteile ersetzt bekommen.
Anders sah dies das OLG - es sprach dem Mann den sogenannten Altersunterhalt nach § 1571 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der beantragten Höhe zu. Mit Erreichen des Rentenalters müsse er nicht mehr arbeiten, auch wenn das bei Selbständigen oft üblich sei. Auf seine konkrete gesundheitliche Situation, die streitig war, kam es daher nicht an. Auch eine Antwort auf die Frage, ob ehebedingte Nachteile entstanden seien, sei hier unwichtig, da der Altersunterhalt davon unabhängig sei. Zudem sei dem Mann auch nicht vorwerfbar, dass er keine eigene Altersvorsorge betrieben habe. Dieses Verhalten habe der Mann bereits vor der Ehe an den Tag gelegt - dieser Umstand war der Frau nach Aktenlage auch bekannt. Jedenfalls wurde von ihr nicht vorgetragen, dass der Mann ihr vorgegaukelt habe, eine Altersversorgung zu besitzen.
Eine Frage, die durchaus noch von Interesse war, bezog sich auf das Alter der beiden bei Eheschließung: War der § 1571 BGB womöglich deshalb nicht anwendbar, weil der Mann nicht im Laufe der Ehe alt geworden war, sondern erst mit über 50 geheiratet hatte? Nein - so das OLG -, auch das sei unerheblich und käme ebenso wenig infrage wie eine Befristung. Eine Befristung des Altersunterhalts ist auch ohne ehebedingte Nachteile nicht der gesetzliche Regelfall. Durch die Ehedauer von rund 14 Jahren und die Insolvenz des Mannes sei eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Frau entstanden, die eine nacheheliche Solidarität erzeugt habe. In seinem jetzigen Alter sei ihm eine Absenkung des gewohnten gehobenen Lebensstandards nicht zuzumuten, daher wurde der Anspruch auch nicht in der Höhe begrenzt.
Hinweis: Allerdings wendete das OLG die Regel an, dass mit Erreichen des Rentenalters auch vorhandenes Kapital zu verzehren ist - das waren hier 65.000 EUR aus einem Hausverkauf. Unstreitig war das Haus nämlich als "Altersvorsorge" gedacht gewesen.
Quelle: OLG Hamm. Beschl. v. 21.12.2023 - 4 UF 36/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Die Frage nach Angemessenheit und Notwendigkeit stellt sich vor Gericht besonders oft, wenn es um Unterhaltsforderungen geht. Aus diesem Grund gibt es die Düsseldorfer Tabelle (DT), die seit 1962 als Leitlinie bei Unterhaltsfragen gilt. Seitdem wird sie stetig an die sich verändernden Lebensumstände angepasst, so auch hinsichtlich der Einkommensgruppen. Dieser Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) zu einem sehr solventen, unterhaltspflichtigen Vater landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und wird in einer Frage auch wieder ans OLG zurückgehen.
Die Mutter einer 2011 geborenen Tochter aus geschiedener Ehe hatte im Jahr 2019 einen monatlichen Kindesunterhalt von 4.500 EUR beantragt. Ihr Bedarf sei exklusiv: Die hohen Wohnkosten, der Reitsport des Kindes, Kleidung und Urlaube - all das hielt sie für angemessen. Der Vater hatte sich zudem als "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt, sein offensichtlich über 11.000 EUR liegendes Nettoeinkommen wurde dabei aber nicht näher thematisiert. 2018 hatte der Vater den damaligen Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle von 160 % des Mindestunterhalts anerkannt. 2020 hatte der BGH dann in einem anderen Fall entschieden, dass man die Tabelle rechnerisch nach oben ergänzen könne, wenn der Unterhaltspflichtige über mehr als 5.500 EUR bereinigtes Nettoeinkommen verfüge. Daraufhin erkannte der Vater 2021 im Verfahren 272 % des Mindestunterhalts an - einen Betrag, den es in der DT 2021 zwar nicht gab, den man sich aber durch Fortschreibung selbst errechnen konnte. 2022 war die DT schließlich um Einkommensgruppen bis 11.000 EUR erweitert worden, was 200 % des Mindestunterhalts entsprach. Daraufhin nahm der Vater sein Anerkenntnis zurück und wollte "nur noch" den neuen "Höchstsatz" von 200 % zahlen. Die Reitsportkosten wolle er sowieso nicht mittragen, da die Mutter allein über das teure, gefährliche und zeitraubende Hobby entschieden habe, obwohl er gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht innehabe.
Das OLG hatte den Einwand des Vaters für zutreffend gehalten, dass er als Sorgeberechtigter hätte mitentscheiden müssen, ob das Kind ein gefährliches und teures Hobby betreiben dürfe. Deshalb legte das OLG ihm die Reitsportkosten nicht zusätzlich auf. Anders sah dies jedoch der BGH: Zwar könne man es so sehen, dass Entscheidungen wie ein teures Hobby bei gemeinsamem Sorgerecht gemeinsam getroffen werden müssen. Jedoch habe der Vater sich in seinen Schriftsätzen gar nicht gegen das Reiten als solches, sondern nur gegen die Intensität und die Kosten ausgesprochen. Das sei als stillschweigendes Zustimmen "dem Grunde nach" zu werten. Außerdem könne es sein, dass das Kind vom Reitsport so stark profitiere, dass die Verweigerung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich sei. Im Ergebnis befand der BGH, dass die Kleidung, Wohnen und Urlaube mit den 272 % vom Mindestunterhalt bezahlt werden können, und gab das Verfahren zwecks Aufklärung beim Mehrbedarf "Reitsport" zurück ans OLG.
Hinweis: 272 % des Mindestunterhalts für ein 2011 geborenes Kind betragen im Jahr 2024 monatlich 1.629,40 EUR.
Quelle: BGH, Beschl. v. 20.09.2023 - XII ZB 177/22
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Wer nicht rechtzeitig etwas sagt, der kriegt auch nichts! So zusammengefasst verhält es sich oftmals, wenn Ansprüche verjährt sind. Im Folgenden musste das Oberlandesgericht Bremen (OLG) klären, ob es bei titulierten Kindesunterhaltsansprüchen einen für eine solche Verwirkung erforderlichen Zeitmoment gibt. Sprich: Erledigen sich Ansprüche aus einem derartigen Titel, wenn der Gläubiger sie nicht einfordert - und wenn ja, ab wann?
Ein Vater war vom Familiengericht zu Kindesunterhalt für seinen minderjährigen Sohn verurteilt worden, zahlte aber nicht. Die Unterhaltsvorschusskasse (Jugendamt) ging daher in Vorleistung und holte sich das Geld beim Vater zurück. Doch zwischem dem, was die Unterhaltsvorschusskasse zahlte, und dem, was der Vater hätte zahlen müssen, klaffte eine monatliche Lücke - und summierte sich schließlich zu einem Schuldenberg von über 3.000 EUR. Dann wurde der Sohn volljährig und vollstreckte gegen seinen Vater.
Vor dem OLG ging es nun um die Frage, ob der Anspruch verwirkt worden war, da jahrelang niemand die Differenz explizit eingefordert hatte. Ein solcher Verwirkungseinwand setzt voraus, dass mindestens mehr als ein Jahr nichts verlangt wurde (Zeitmoment) und dass der Unterhaltsschuldner sich darauf einrichten durfte, dass der Unterhaltsgläubiger sein Recht nicht mehr durchsetzen werde (Umstandsmoment). Aus bloßer Untätigkeit des Gläubigers entstehen solche besonderen Umstände jedenfalls nicht. Der Vater trug dazu vor, er habe nach Einschaltung der Unterhaltsvorschusskasse geglaubt, er müsse nur den geringen Betrag an die Kasse zahlen, nicht mehr den höheren an den Sohn. Das mag er wirklich geglaubt haben - aber Unkenntnis schützt bekanntlich nicht vor Rechtsfolgen. Solange ein Titel "in der Welt" ist, gilt dieser, und eigene Gedanken dazu, ob dieser überhaupt noch gelten möge, sind fehl am Platz. Andere Umstände, aus denen er hätte schließen können, sein Sohn bzw. dessen Mutter verzichte auf die Differenz, gab es für das OLG in nachvollziehbarer Weise nicht.
Hinweis: Die Differenz zwischen tituliertem Unterhalt und der Leistung der Unterhaltsvorschusskasse liegt daran, dass die Unterhaltsvorschusskasse nur den Mindestunterhalt leistet und davon noch das gesamte Kindergeld abzieht.
Quelle: OLG Bremen, Beschl. v. 14.12.2023 - 5 UF 36/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)
Eltern schulden ihren volljährigen Kindern Unterhalt während einer Ausbildung. Zu Konflikten kommt es, wenn das Kind mit seinem ersten Abschluss nicht zufrieden ist und für eine weitere Ausbildung weiterhin Unterhalt verlangt. Im Fall vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) war daher zu prüfen, ob es sich um eine einheitliche Ausbildung handelt, für deren letztlich angestrebte Qualifikation der erste Abschluss ein sinnvoller Zwischenschritt war, oder um zwei voneinander unabhängige Ausbildungen.
Hier hatte die Tochter nach dem Realschulabschluss 2018 eine kaufmännische Ausbildung absolviert, mit deren Abschluss sie automatisch ihr Fachabitur im Bereich Wirtschaft erlangte. Im Anschluss verbrachte sie zur Erweiterung ihrer Sprachkenntnisse einen dreimonatigen Sprachurlaub in Spanien. Nach ihrer Rückkehr meldete sie sich im Oktober 2021 zunächst arbeitssuchend, woraufhin sie über das Jobcenter den Hinweis auf die Möglichkeit erhielt, mit ihrem Abschluss Mediendesign zu studieren. Zum 01.01.2022 begann sie dieses Studium. Da ihre Mutter zu wenig verdiente, um ihr Unterhalt zu leisten, verklagte sie ihren Vater.
Das begonnene Studium ist auch in den Augen des OLG eine Zweitausbildung und keine fachliche Ergänzung. Daher bestand kein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegenüber ihren Eltern. Im Unterschied zu Abiturienten, bei denen Eltern immer mit einem Studienwunsch nach der Lehre rechnen müssen, sei dies nach dem Realschulabschluss so, dass die Eltern frühzeitig - schon vor der Ausbildung - vorgewarnt werden müssten, dass sie sich auf einen längeren Ausbildungsweg einstellen müssen. Zudem müsse ihnen dieser auch wirtschaftlich zumutbar sein. Dabei habe das Kind keine beliebige Studienauswahl, sondern müsse einen engen sachlichen Zusammenhang darlegen. Hier reiche es nicht aus, dass das kaufmännische Wissen und die Fremdsprachenkompetenz "nützlich" für das Studium oder den späteren Beruf als Mediendesignerin seien. Solche Kenntnisse seien grundsätzlich für jeden Beruf nützlich, was eine solche Ausbildung aber nicht zu einem unterhaltsrechtlichen Freibrief für jedwedes anschließende Studium mache. Auf die Gerichte wirkte der Ausbildungsweg der Tochter eher so, als ob sie sich nach der Arbeitslosigkeit und Beratung durch das Jobcenter umorientiert habe - diese durchaus legitime Entscheidung beinhalte jedoch kein Recht auf weiteren Unterhalt.
Hinweis: Für die Entscheidung wird bei der Abwägung eine Rolle gespielt haben, dass die Studentin Bafög bekam und der Unterhaltsanspruch daher nicht existentiell von Bedeutung war, während der Vater mit knapp 2.500 EUR netto kein wohlhabender Mann war. Der Tochter wäre anzuraten gewesen, ihr Vorhaben direkt nach dem Schulabschluss nachweislich mit dem Vater abzusprechen, damit dieser in der Zeit, in der er ihr wegen des Ausbildungsentgelts keinen Unterhalt zahlen musste, Rücklagen hätte bilden können.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.12.2023 - 3 UF 127/23
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(aus: Ausgabe 03/2024)